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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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Kinder? Ich hasse die Sorrow.“
    „Das beruht wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit.“ Vorsichtig näherte sich Saul der Leiche, dann fing er leise an, etwas zu murmeln – das Gebet eines Wers im Angesicht eines unnötigen Todes. Ich ließ ihn gewähren. Das Gift war ansteckend, aber bei Kontakt mit Sauerstoff verlor es seine Wirkung rasch. Es bestand keine Gefahr mehr.
    „Julian?“ Vater Guillermo klang, als hätte er alle Farbe verloren. Als ich meinen Blick auf ihn richtete, war er tatsächlich schneeweiß im Gesicht. Nur auf seinen Wangen prangten zwei hellrote Punkte. „Was machen wir nun?“
    „Hattet Ihr im vergangenen Jahr noch mehr Personalwechsel? Priester, Angestellte, Schüler, sonst jemand?“
    „N-nein.“ Er schüttelte den Kopf. „N-nur K-Kit.“ Sein Blick glitt an mir vorbei und heftete sich auf den Toten am Boden. Der Gestank war unerträglich.
    Pater Rourke bekreuzigte sich immer und immer wieder. Auch er betete. Auf seinen gummiartigen Lippen, die sich leicht bewegten, glänzte Speichel. Wahrscheinlich ein Vaterunser.
    Manchmal wünschte ich, ich wäre noch immer Vollblut-Katholikin. Die Schuldmasche nervt tierisch, aber der Trost, den einem die Routine-Gebete spenden, ist nicht zu verachten. Es gibt doch nichts Besseres als hübsch verpackte, vorgefertigte Antworten, um der menschlichen Psyche das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu geben. „Ich muss mir die kompletten Austauschlisten ansehen. Warum sollte ein Sorrow sich in ein Seminar einschleusen? Verheimlicht Ihr mir irgendwas, Gui?“
    Der letzte Rest von Farbe wich aus seinem Gesicht, wie ausgegossener Wein.
    „Gui? Ihr verheimlicht mir doch nicht etwa irgendwas, das ich wissen sollte, oder?“ Ich musterte ihn genau, doch er schwieg. „Guillermo?“ Mein Ton wurde schärfer.
    Beinahe schuldbewusst zuckte er zusammen. „Es … Julian, ich …“
    „Um Himmels willen noch mal! Wie soll ich euch beschützen, wenn ihr mir nicht die Wahrheit sagt?!“
    „Schwester Jillian …“
    „Was ist es?“
    „Jillian …“
    Dann riss mir der Geduldsfaden. Ich griff den Priester an seinem Rockkragen, hob ihn hoch und schüttelte ihn, bevor ich ihn an die Wand drückte. „Guillermo!“ Mein Mund war trocken, Wut ließ meine Hände leicht erbeben. Die Narbe an meinem Handgelenk wurde zu geschmolzenem Blei. Hinter mir rauschte Stoff, und Rourke stieß ein paar blasphemische Worte aus, die ich nie im Leben von einem Priester erwartet hätte.
    „Noch einen Schritt und ich schlage Euch nieder“, sagte Saul leise, aber bedrohlich.
    „Ich hätte dabei sterben können.“ Ich betonte jedes einzelne Wort, jeden einzelnen Konsonanten. „Saul hätte sterben können. Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr mir etwas vorenthaltet, hätte ich den Kleinen viel eindringlicher befragt. Ihr könnt mich nicht anlügen und erwarten, dass ich euch alle beschütze!“
    „Er ist Jesuit. Er kann Ihnen gar nichts verraten.“ Rourke spuckte die Worte aus, als wären sie eine persönliche Beleidigung für ihn. „Er hat einen Eid geleistet.“
    Ich ließ Guillermo runter. Scheiße. Um ein Haar hätte ich einen Priester verprügelt. Junge, das wird immer lächerlicher. „Wenn Ihr mir nicht in fünfzehn Sekunden die Wahrheit sagt, Gui, werde ich mich selbst auf die Suche danach machen. Ich werde diesen Laden hier auf den Kopf stellen und vom Altar bis zum Friedhof jeden Kieselstein umdrehen, bis ich finde, was ich suche. Ihr könnt es mir also genauso gut einfach sagen. Worum geht’s? Wonach haben die Sorrow gesucht?“
    „Nichts, was für sie irgendeinen Nutzen hätte.“ Gui rieb sich den Hals. Er war noch immer kreidebleich, und der Geruch in der Luft wurde allmählich dick und machte das Atmen schwer.
    Für mich war es nichts Neues, den Tod zu riechen, für Gui schon. „Nur ein Artefakt …“
    „Was. Verschweigt. Ihr. Mir?“ Meine Worte wurden vom Pulsieren meiner Narbe begleitet, und ich war kurz davor, etwas Unverzeihliches zu tun – wie etwa einen Priester zusammenzuschlagen. Verdammt. Das machte mir mehr zu schaffen, als ich mir eingestehen wollte.
    „Den Speer des …“ Rourke schrie beinahe.
    „Nein!“, donnerte Guillermo.
    „… Heiligen Antonius!“, brüllte Rourke mit hochrotem Gesicht. Gui sackte in sich zusammen.
    Ich wirbelte auf dem Absatz herum und schenkte Rourke einen misstrauischen Blick. Komm schon, erzähl mir keinen Scheiß! Immerhin war ich selber mal katholisch. „Der Heilige Antonius hatte keinen Speer. Er hat seinen

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