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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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Liebe der Mutter – so freizügig und hemmungslos an andere verschenkt – der Tochter aus irgendwelchen Gründen nie gegolten hatte.
    Pflichtgefühl, Fürsorge, Verantwortungsbewusstsein – das alles war Sage zuteil geworden, unter dem Tarnmantel vorgeblicher Mutterliebe. Aber sie hatte schon früh gelernt, zwischenRealität und Schein zu unterscheiden und die unüberwindliche Barriere gespürt.
    Als sie an der Tür zögerte, wandte sich der Arzt ungeduldig zu ihr.
    „Sind Sie auch ganz sicher, dass sie mich sehen will?“, flüsterte sie.
    Er beobachtete, wie sich diese selbstsichere, schöne Frau, die eine so betörende erotische Ausstrahlung besaß, in ein nervöses Kind verwandelte. Die gefährliche Anziehungskraft einer solchen Frau bewog ihn, brüsker als beabsichtigt zu erwidern: „Oh, Sie haben nichts zu befürchten. Ihre Mutter hat nur innere Verletzungen davongetragen. Äußerlich …“
    Sage starrte ihn an. Glaubte er wirklich, sie wäre so schwach, so eigensüchtig, dass sie vor dem Anblick der Patientin zurückschreckte? Doch ihr Ärger verflog sofort. Sie durfte ihm nichts übel nehmen, denn er wusste nichts von der komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung. Die war ihr selber rätselhaft. Sie stieß die Tür auf und betrat einen kleinen Raum voller medizinischer Apparate mit vier Betten.
    Nur ein Bett war belegt. Wie winzig die Mutter zwischen all den Geräten wirkte … Eine Kappe verbarg das ehemals natürlich blonde und jetzt diskret getönte Haar. Die bleiche Haut hätte einer Frau von Ende vierzig gehören können, keiner sechzigjährigen. Sages Blick streifte die Schläuche, an die ihre Mutter angeschlossen war, nur mit einem kurzen Blick und konzentrierte sich dann auf vertrautere, weniger beängstigende Aspekte.
    Die Patientin atmete keuchend und mühsam, doch die Augen hatten sich nicht verändert – kühl, klar, Augen, die alles sahen, alles zu wissen schienen, deren Grau lavendelblau schimmern oder eine dunkle Schieferfarbe annehmen konnte, je nach der Stimmungslage.
    Jetzt runzelte Liz die Stirn, nicht auf jene kaum merkliche Art, die Sage kannte, die Enttäuschung über die Fehlschläge irgendwelcher Leute ausdrückte. Wie oft hatte dieses leichte Stirnrunzeln das Herz der Tochter zusammengekrampft …
    Doch nun zeigten sich tiefere Furchen, fremdartige Schatten verdüsterten die Augen. „Sage …“
    War es ein Instinkt, der sie veranlasste, sich neben das Bett zu setzen und die Hand der Verletzten zu ergreifen? „Ich bin hier, Mutter.“
    Mutter – welch ein kaltes, leeres Wort, ohne echte Gefühle … Als kleines Kind hatte sie „Mummy“ gesagt. Der zehn Jahre ältere David hatte die liebevoll-spöttische Anrede „Ma“ bevorzugt. Aber ihm war viel mehr Freiheit gestattet, viel mehr Liebe geschenkt worden … Hör auf, ermahnte sie sich. Sie saß nicht hier, um über die Vergangenheit nachzugrübeln. Die war endgültig vorbei.
    „Alles ist gut, Mutter. Bald wirst du wieder gesund.“
    Sekundenlang leuchtete schwacher Hohn in den grauen Augen auf, als wollten sie die banalen Worte mit Verachtung strafen, und Sage fühlte sich wieder wie ein Kind. „Du musst etwas für mich tun“, erklärte Liz, der die Stimme kaum gehorchte. Ihre Tochter musste sich hinabbeugen, um sie zu verstehen. „Meine Tagebücher – im Schreibtisch, in Cottingdean. Lies sie …“ Ihre Lider schlossen sich. „Auch die anderen müssen sie lesen. Sorge dafür …“
    Was redete die Mutter da? Welche Tagebücher meinte sie? Hatte der Unfall ihrem Gehirn geschadet? Unsicher starrte Sage die bleiche Frau an, die jetzt wieder die Augen öffnete. „Versprich es mir …“
    Pflichtbewusst nickte Sage. „Natürlich, aber …“ Unfähig, sich zurückzuhalten, stieß sie hervor: „Wieso bittest du mich darum? Wieso nicht Faye? Sie steht dir viel näher.“
    Wieder schienen die grauen Augen zu spotten. „Faye ist nicht so skrupellos wie du, nicht so diszipliniert und stark.“ Die Stimme sank zu einem kraftlosen Seufzen herab.
    Sage fühlte den schwachen, unregelmäßigen Puls in der Hand verebben, die sie festhielt, und eine überwältigende Angst stieg in ihr auf. Sogar Liebe durchströmte sie. „Mutter – nein!“
    Der Puls flackerte wieder. „Wenn du die Tagebücher liest, wirst du alles verstehen, Sage.“ Erschöpft schloss Liz die Augen und lag so still da, dass Sage sie schon für tot hielt. Der Arzt berührte ihren Arm, seine leisen Worte belehrten sie eines Besseren.
    „Sie will, dass ich

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