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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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aufgefordert hatte, mit dem Kind nach Cottingdean zu ziehen. Später hätte David das Landgut ohnehin geerbt. Faye nahm das Angebot an, das hübsche ehemalige Pfarrhaus im Dorf, von David für seine Familie erworben, wurde verkauft. Camilla, damals ein Jahr alt, hatte nie ein anderes Heim gekannt alsdas Domizil ihrer Großmutter.
    Während Sage an ihre Nichte dachte, lächelte sie. Achtzehn Jahre alt, maßlos verwöhnt, von allen ihren Angehörigen … David hatte eine schmerzliche Lücke im Leben seiner Familie hinterlassen, aber auch ein Geschenk, das sie ein wenig tröstete.
    Cottingdean würde eines Tages Camilla gehören, und die Großmutter hatte früh begonnen, die Enkelin in die Pflichten einzuführen, die sie später übernehmen sollte. Sage beneidete das Mädchen nicht um dieses Erbe, aber manchmal um das sonnige Gemüt, die Ausgeglichenheit, die Herzenswärme, die gewinnende Art.
    Aber im Grunde war Camilla noch ein Kind und wusste nicht, welchen Zauber sie auf ihre Mitmenschen ausübte.
    Wieder seufzte Sage. Ihre Nichte wäre am tiefsten getroffen, wenn die Mutter … Mit zitternden Fingern umklammerte sie das Lenkrad des Porsche. Noch immer konnte sie ihren Gedanken nicht gestatten, das Wort „Sterben“ zu formulieren, diese Möglichkeit zu akzeptieren – die Wahrscheinlichkeit, dass der Tod ihrer Mutter unabwendbar war.
    In den geheimsten Tiefen ihres Herzens lag die Gewissheit, eine Weigerung, ihrer Mutter jenes Versprechen zu geben, hätte deren letzten schwachen Lebenspuls zerstört. Die gleiche Wirkung würde Sage erzielen, sollte sie ihr Wort brechen. Obwohl die Mutter es nicht erfahren würde – Sage hätte das Gefühl, den dünnen Lebensfaden eigenhändig zu zerschneiden, wenn sie vor der Lektüre dieser Tagebücher zurückschreckte.
    Sie erschauerte und erkannte, so wie in gewissen anderen Augenblicken ihres Lebens, die Macht ihrer tief verwurzelten, manchmal verwirrenden Instinkte, die auf keiner logischen Grundlage beruhten.
    Ihre schmalen Finger schlossen sich noch fester um das Lenkrad. Von der zarten Anmut ihrer Mutter hatte sie nichts geerbt, die war auf Camilla übergegangen. Sie selbst besaß keine einzige Eigenschaft der Mutter. Und doch war es ihr in jenen wenigen Minuten am Krankenbett so vorgekommen, als hätten sich ihre Seelen vereint, als nähme sie Liz’ Angst und Leid, Verzweiflung und Entschlossenheit in sich auf. Und sie hatte erkannt, wie wichtig es war, das Versprechen zu erfüllen.
    Wusste die Mutter, dass sie sterben würde? Ein heftiger Schmerz brannte in Sages Brust. So etwas durfte sie nicht empfinden. Vor vielen Jahren hatte sie sich von Liz losgerissen. Sicher, sie hatte die Beziehung mit Lippenbekenntnissen aufrechterhalten, die Mutter pflichtbewusst an deren Geburtstag im Juni besucht, auch zu Weihnachten. Während des letzten Weihnachtsfestes war sie allerdings nicht in Cottingdean gewesen, sondern in der Karibik, um die Villa eines reichen Franzosen zu verschönern. Ein guter Entschuldigungsgrund, um der Familienfeier fernzubleiben, von der Mutter kommentarlos akzeptiert …
    Sie bog von der Hauptstraße ab, folgte den vertrauten Straßenschildern und runzelte die Stirn angesichts des Verkehrs, der im Lauf der Jahre auch in dieser ländlichen Gegend immer dichter geworden war. Die schmale Fahrbahn eignete sich nicht für die riesigen achträdrigen Laster. Einen überholte sie, nur noch wenige Meilen vom Dorf entfernt, und atmete auf, als sie vom Dieselgestank erlöst war.
    Nach dem eisigen Winter war der Frühling doppelt willkommen, der die Hecken am Straßenrand in frisches Grün hüllte. Im Dorf schien sich nichts verändert zu haben, und es amüsierte Sage, dass sie sich darüber freute. Warum – wo sie sich doch so verzweifelt bemüht hatte, von hier zu fliehen, vor dieser fast zu vollkommenen hübschen Idylle? Wieso fürchtete sie bei jeder Rückkehr die Möglichkeit irgendwelcher tiefgreifenden Veränderungen?
    Wer immer den Bauplatz Cottingdean ausgesucht hatte – es war eine gute Wahl gewesen. Die Rückseite zu den Hügeln, die Vorderfront nach Süden gewandt, wurde das Haus von alten Eichen am Rand des Parks gegen den Ostwind abgeschirmt.
    Der Erbauer war ein reicher Kaufmann aus der elisabethanischen Ära gewesen, der mit seiner Familie Bristol verlassen hatte, um sich in einer stillen, gesunden ländlichen Umgebung anzusiedeln. Spätere Generationen hatten dem Haus – in der traditionellen Form des Buchstaben E angelegt – mehrere Anbauten

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