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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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Sache, dass wenige Monate zuvor ihr Mann spurlos verschwunden war. Sie hatte vorgehabt, diesen Sommer nach Italien zu fahren, aber dahinter schien eher die Absicht zu stehen, über das Verlassenwerden hinwegzukommen, als sich einen schönen Lenz zu machen. Die meisten ihrer Bekannten, und ich habe mit vielen gesprochen, schilderten sie als tief deprimiert und am Boden zerstört.«
    »Und wie sieht die Tochter die Sache?«
    »So ziemlich die üblichen Argumente. Ihre Mutter hätte so etwas nicht getan. Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Dann führt sie auch die Europareise an. Hanna - die Mutter - war
offensichtlich sehr sparsam. Richtig knausrig, sagt Jenna. Sie hätte die Italienreise nie bezahlt und sie dann nicht angetreten. Sie hätte sich erst danach umgebracht.«
    Hardy gestattete sich ein verhaltenes Grinsen. »Ich kenne einige solche Leute. Aber mit dem Selbstmord zu warten, bis man den bereits gezahlten Urlaub auch gemacht hat, geht vielleicht doch ein bisschen zu weit. Und das ist schon alles? Das ist der Grund, warum die Tochter glaubt, es war kein Selbstmord?«
    »Ursprünglich, im Wesentlichen, ja.« Bracco nahm einen Schluck Kaffee und schaute kurz aus dem Fenster.
    Hardy gewann den Eindruck, dass er überlegte, ob er noch etwas sagen sollte, und beschloss, ihm die Entscheidung abzunehmen. »Sie sparen nicht gerade mit Einschränkungen. Ursprünglich. Im Wesentlichen. Haben Sie auch selbst Zweifel? Wollen Sie der Sache deshalb nochmal nachgehen?«
    Bracco spitzte die Lippen, während er weiter um eine Entscheidung rang. »Es war ein Seil, das ihnen gehörte. Sie befestigte es an einem Deckenbalken in der Garage, stieg auf eine kleine Trittleiter und stieß sie um.«
    »Aber …?«
    Als er merkte, dass seine Tasse leer war, rutschte Bracco auf seinem Sessel nach vorn und stellte Tasse und Untertasse auf den niedrigen Tisch vor ihm. Dann sah er Hardy ganz direkt an. »Nichts von all dem hat mich damals groß beschäftigt, wissen Sie? Ich hatte drei andere laufende Fälle. Dieser ging an die Rechtsmedizin und war in zwei Tagen abgehakt. Ich habe mich erst wieder damit befasst, als Jenna vor ein paar Tagen angerufen hat.«
    »Und?«

    »Ihr Genick war gebrochen.« Er machte eine kurze Pause, bevor er genauer ausführte, was er damit sagen wollte. »Ein ganz normaler Knoten, keine Schlinge, Fallhöhe knapp vierzig Zentimeter.«
    »Sie glauben, Sie hätte stranguliert worden sein müssen.«
    »Das wäre jedenfalls unter diesen Umständen bei den meisten Leuten der Fall gewesen.«
    »Aber nicht immer? Haben Sie Strout gefragt?« Das war der Rechtsmediziner, der den Todesfall als Selbstmord deklariert hatte.
    »Er sagt, er hatte schon einige, bei denen die Fallhöhe und das Gewicht zum Genickbruch geführt haben.«
    »Da hätten Sie es ja schon.«
    »Aber niemanden, der so wenig wog wie sie. Dreiundvierzig Kilo.«
    Hardy zeigte keine Reaktion; das war bestimmt nicht uninteressant, aber auch nicht zwingend. »Und dann«, fuhr Bracco fort, »war da noch etwas, woran Jenna ursprünglich nicht gedacht hat, was ihr aber jetzt wieder eingefallen ist.«
    »Und was war das?«
    »Dass ihre Mutter zu der Überzeugung gelangt war, dass ihr Mann nicht einfach verschwunden war, sondern dass er umgebracht worden war.«
    »Bei jemandem in ihrer Situation«, sagte Hardy, »könnte das auch reines Wunschdenken sein. Dass er sie nicht verlassen hat, sondern ihr genommen wurde. Psychologisch macht das einen gewaltigen Unterschied.«
    »Schon«, sagte Bracco, »aber Jenna sagt auch, ihre Mutter hatte es sich zum Ziel gesetzt, herauszufinden, wer ihren Vater auf dem Gewissen hatte, und hätte auf keinen Fall Selbstmord begangen, bevor diese Frage nicht geklärt war.«

    »Vielleicht hat sie ja im Zug ihrer Nachforschungen herausgefunden, dass er sie tatsächlich hat sitzenlassen.«
    »Genau das Gleiche habe ich zu Jenna auch gesagt. Aber dem hat sie vehement widersprochen. Wenn ihre Mutter das herausgefunden hätte, hätte sie, selbst wenn sie Selbstmord hätte begehen wollen, Jenna einen Abschiedsbrief geschrieben, damit wenigstens ihre Tochter die Wahrheit erführe.«
    Zwischen die zwei Männer legte sich kurzes Schweigen. »Sie halten es also nicht für ausgeschlossen, dass jemand Misses Bowen ermordet hat?«
    »Allerdings würde ich nicht versuchen, das Glitsky zu verkaufen. Nicht anhand dessen, was ich bisher habe.«
    »Haben Sie ein Motiv?«
    »Es wird Ihnen wahrscheinlich nicht gefallen.«
    »Versuchen Sie es

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