Schattenkampf
einfach, dass ich dich getroffen habe und du ihn grüßen lässt. Ich weiß, darüber würde er sich sehr freuen. Oder wäre auch das schon zu viel?«
»Ich weiß nicht, Eileen. Möglicherweise.«
»Glaubst du, du könntest ihm antworten, wenn er dir schriebe?«
Taras Kopf beschrieb einen niedergeschlagenen kleinen Bogen. Sie biss sich auf die Lippe. »Ich weiß nicht einmal, ob ich das versprechen könnte.« Sie legte ihre Hand auf die von Evans Mutter. »Wir haben es versucht, Eileen, das haben wir wirklich. Aber jetzt ist es einfach …« Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist einfach vorbei.«
Eileen, die durch nichts aus der Fassung zu bringen war, nickte. »Und auch das ist in Ordnung. Wenn du es dir anders
überlegen solltest und ihn sehen möchtest, wenn er nach Hause kommt, hast du ja sicher noch unsere Nummer. Oder auch wenn du vorher schon vorbeikommen möchtest, würden wir uns sehr freuen. Das weißt du doch hoffentlich.«
»Ja, das weiß ich. Danke.« Sie beugte sich vor und drückte Eileen einen Kuss auf die Wange. »Du bist wirklich sehr nett zu mir.«
Eileen drückte sich kurz an Tara, dann löste sie sich von ihr. »Das Gleiche gilt für dich, und du weißt, dass ich dich sehr mag. Leute wie wir müssen einfach zusammenhalten. Und versuche, nicht zu streng mit dir zu sein.«
»Ich werde es versuchen.« Tara sah plötzlich alles nur noch durch einen feuchten Schleier. »Das werde ich wirklich.«
»Ich weiß. Es hat mich sehr gefreut, dich zu sehen, Tara. Alles Gute.« Mit einem letzten flüchtigen Kuss auf die Wange und einem Lächeln, manövrierte Evans Mutter ihren Einkaufswagen an Tara vorbei, bog am Ende des Gangs um die Ecke und war verschwunden.
Nolan traf keine zwanzig Minuten, nachdem er Taras Anruf erhalten hatte, in ihrer Wohnung ein. Tara saß in ihrem großen Sessel und trank ihr zweites Glas Wein. Im Wohnzimmer war es fast dunkel; das einzige Licht kam aus der Küche. Ein Glas Scotch in der Hand, saß Nolan, die Ellbogen auf den Knien, weit vornübergebeugt auf der Couch. »Nicht die Möglichkeit. Das muss ein, zwei Wochen nach meiner Abreise passiert sein.«
»Du wusstest nichts davon?«
»Absolut nichts. Woher hätte ich etwas darüber wissen sollen?«
»Jetzt hör aber mal, Ron. Du warst schließlich dort.«
»Tut mir leid, aber das stimmt nicht. Es muss passiert sein, als ich bereits hier zurück war. Evan hat die letzten zwei Wochen, als ich noch drüben war, versucht, sich mit seiner Truppe vom Flughafen zu seiner regulären Einheit zurückversetzen zu lassen. Wie es sich anhört, muss ihm das gelungen sein. Wenn sie noch bei uns gewesen wären, hätte mir Jack Allstrong bestimmt davon erzählt.« Er ließ sich zurücksinken und schlug die Beine übereinander. »Und seine Mutter sagt, er liegt jetzt im Walter Reed?«
»Seit mehreren Monaten.«
»Wahnsinn, einfach unglaublich.« Wenn Nolan nach außen hin auch ganz entspannt wirkte, sah es in seinem Innern völlig anders aus - er hatte die ganze Zeit angenommen, Evan sei tot oder zumindest dauerhaft geistig behindert. Nach dem Panzerfausttreffer in Masbah hatte Onofrio darauf bestanden, Evan in den Humvee zu packen. Nolan hatte sich Evans Kopfverletzungen kurz angesehen, und es hatte nicht so ausgesehen, als würde er sich davon noch einmal erholen, weshalb er die Angelegenheit innerlich abgehakt hatte. Als er den Irak eine Woche später verlassen hatte, hatte Evan immer noch im Koma gelegen, und es hatte keinen Grund zu der Annahme gegeben, er könnte jemals wieder daraus erwachen.
Nolan trommelte mit den Fingern auf die Armlehne der Couch. »Und seine Mutter meint, er kommt vielleicht wieder auf die Beine?«
»Sogar ohne bleibende Schäden, aber wahrscheinlich nicht so bald.«
»Also, das ist zumindest schon mal erfreulich. Und alle anderen aus seinem Zug sind gefallen, hat sie gesagt?«
»Alle bis auf einen. Und natürlich Evan.«
Nolan strich mit der Handfläche seitlich an seinem Gesicht hinunter. »Mein Gott, diese armen Teufel. Lauter prima Kerle. Ich kann einfach nicht glauben … eigentlich hätten sie gar nicht für so etwas eingesetzt werden dürfen. Sie hätten die großen Lkw reparieren sollen.« Er sah sie an, so bezaubernd und verletzlich im matten Dezemberlicht. Ihr waren wieder die Tränen gekommen, und jetzt schimmerten sie auf ihren Wangen. »Was bedeutet das jetzt für dich, T.? Möchtest du ihn besuchen?«
»Nein!« Das Wort brach aus ihr hervor. Und dann, nach einigem Überlegen, fügte
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