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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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vor Wut.
    Oder einfach vollkommen wahnsinnig nach allem, was er durchgemacht hatte.
    Zu Hause in Redwood City starrte Tara auf den Hörer, den sie zitternd in ihrer rechten Hand hielt, dann legte sie ihn langsam auf, fast so, als könnte die Aggressivität, die sie darin gehört hatte, daraus entweichen und sie weiter verletzen.

11
    Fünf Monate später saß Evan Scholler in der Polizeiwache von Redwood City vor dem Zimmer, zu dem er gerufen worden war, und wartete. Das kleine Drahtglasabteil war das Büro seines Vorgesetzten, Lieutenant James Lochland. Evans Schicht hatte zwanzig Minuten zuvor um siebzehn Uhr geendet. Die Aufforderung, sich beim Lieutenant zu melden, war mit Klebeband an seinem Schließfach befestigt gewesen. Als er jetzt vor Lochlands Büro wartete, konnte er den Lieutenant an seinem Schreibtisch sitzen sehen, wo er Papiere von einem Stapel in der Mitte in eine Ablage in der hinteren rechten Ecke legte. Als die Schreibtischplatte aufgeräumt war, holte der Lieutenant tief Luft, schaute durch das Drahtglas, suchte Evans Blick und winkte ihn auf seine übliche direkte Art mit gekrümmtem Zeigefinger zu sich.
    Lochland war vierzig und wurde von den meisten seiner Leute, die als Streifenpolizisten, wie Evan, größtenteils selbst jung waren, als netter Typ angesehen. Die Narben einer schweren Pubertätsakne beeinträchtigten, was sonst ein attraktives Gesicht gewesen wäre, so dass er jetzt als zugänglich rüberkam. Sein braunes Haar trug er für einen Polizisten relativ lang, und sein Schnurrbart hätte mal wieder gestutzt werden dürfen. Er forderte Evan auf, die Tür zu schließen und auf einem der beiden Stühle vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Die Hände auf der blassgrünen Schreibunterlage lose ineinander verschränkt, wartete er, bis sich sein Besucher gesetzt hatte.
    »Was gibt’s, Sir? Sie wollten mich sprechen?«
    »Ja, deshalb habe ich Sie zu mir gerufen. Ich dachte, es könnte vielleicht nicht schaden, wenn wir uns mal kurz
zwanglos unterhalten und bei dieser Gelegenheit vielleicht auch gleich ein paar Gewohnheiten - oder Tendenzen - im Keim ersticken, bevor Sie ihretwegen Ärger kriegen. Aber bevor wir diesbezüglich ins Detail gehen, wollte ich Sie fragen, wie es Ihnen grundsätzlich geht. Persönlich, meine ich.«
    »Eigentlich recht gut, Sir, finde ich. Aber wenn es irgendwelche Beschwerden gibt …«
    Lochland hob beschwichtigend die Hand. »Wenn dem so wäre, würden wir das ansprechen, glauben Sie mir. Aber so weit sind wir noch nicht. Vorerst will ich nur mal wissen, wie Sie sich insgesamt fühlen. Wie ist es für Sie, wieder dabei zu sein, bei der Polizei.«
    »Gut. Es geht mir gut damit. Ich bin froh, wieder hier zu sein.«
    Lochland nickte, setzte eine verständnisvolle Miene auf. »Schlafen Sie?«
    Evan atmete stoßartig aus, begann ein Lächeln, das nirgendwohin führte. »Die meisten Nächte, ja. Immer, wenn ich kann.«
    »Benötigen Sie dafür Hilfe?«
    »Wie bitte?«
    »Zum Einschlafen?«
    »Manchmal trinke ich ein, zwei Gläser, ja, Sir. Wenn ich nicht abschalten kann.«
    »Woran denken Sie?«
    Evan zuckte mit den Schultern.
    »An den Irak?«
    Mit einem langen Seufzer hob Evan wieder die Schultern. »Anscheinend lässt mich das nicht so schnell wieder los. Die Männer, die gefallen sind. Meine Freundin. Alles, was damit zusammenhängt.«

    »Reden Sie mit jemandem darüber?«
    »Mit einem Therapeuten, meinen Sie?«
    »Mit irgendjemandem einfach.«
    »Bis zu meiner Entlassung habe ich in der Veteranenhilfe in Palo Alto mit einer Frau gesprochen.«
    »Aber das war, bevor Sie bei uns angefangen haben, oder?«
    »Am neunzehnten April. Was nicht heißt, dass ich an diesem Tag jetzt mein Leben lang eine Party schmeißen werde. Jedenfalls, ein paar Wochen, bevor ich hier angefangen habe.«
    »Und seitdem reden Sie mit niemandem mehr? Hat man Ihnen keine Ansprechpartner genannt, als Sie dort entlassen wurden?«
    Das zog ein Schnauben nach sich. »Äh, nein. Aber wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie damit doch nur durch die Blume zum Ausdruck bringen, dass es meinetwegen Probleme gibt.«
    »Ich frage nur, mehr nicht. Ich frage lediglich, ob der Einstieg in den Polizeidienst vielleicht ein bisschen zu früh erfolgt ist. Ob Sie den Eindruck haben, dass das Ganze noch eine zu große Belastung für Sie ist.«
    »Meinen Sie posttraumatische Belastung?«
    Lochland zuckte mit den Schultern. »Jede Form von Belastung. Stress, der sich störend auswirkt, wenn man seinen Job

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