Schattenkampf
zum anderen. »Ich würde sagen, ich gehe zu Fuß. Ist nämlich nicht so wahnsinnig weit. Danke, Jungs. Und Entschuldigung.«
Er hatte etwa fünf Schritte gemacht, keiner davon besonders sicher, als einer der Polizisten hinter ihm sagte: »Scholler. Vielleicht sollten Sie erst mal Ihr Auto abschließen.«
Er blieb stehen und drehte sich zu ihnen um.
Der erste Cop sagte: »Ich würde Ihnen nicht raten, so zu tun, als würden Sie zu Fuß nach Hause gehen, bis wir weggefahren sind, um dann wieder zurückzukommen und zu versuchen, doch zu fahren.«
»Nein, nein«, sagte Evan. »Das wäre echt dumm.«
»Wo wohnen Sie?«, fragte der zweite Cop.
»Gleich oben beim College«, sagte Evan.
»Und mit ›oben beim College‹ meinen Sie Kanada, nehme ich mal an.«
»Haben wir denn mehr als eins?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Der zweite Polizist sagte zu seinem Partner: »Er hat Recht, so weit ist das nicht. Nur etwa fünf Kilometer, immer bergauf.« Der Cop mit der Taschenlampe sagte: »Steigen Sie zu mir in den Streifenwagen, und er fährt uns mit Ihrem Auto hinterher. Aber wehe, Sie kotzen mir die Karre voll, dann können Sie sie hinterher saubermachen.«
»Alles klar«, sagte Evan.
12
Vier Tage später, an einem Sonntag, war Evan zum Abendessen bei seinen Eltern; das war seit seiner Rückkehr nach Kalifornien mehr oder weniger zu einer festen Einrichtung geworden. Nach der Umstellung auf die Sommerzeit warf Jim Scholler fast jeden Abend den Grill an, und an diesem warmen Maiabend hatte er Hühnchen gegrillt, die sie mit frischem Spargel, Sauerteigbrot und Eileens »berühmtem« Tomaten-Kartoffelsalat mit Koriander und roten Zwiebeln gegessen hatten. Jetzt, lange vor Einbruch der richtigen Dunkelheit, saßen sie immer noch im großen Garten der Schollers in den langen Schatten ihrer Pflaumen-, Feigen-, Zitronen-, Orangen- und Aprikosenbäume.
Nachdem Evan jetzt wieder im Polizeidienst war, sich in seiner neuen Wohnung eingelebt hatte und seine Kopfverletzung
weitestgehend verheilt war, brachte Eileen beim letzten Glas Weißwein endlich den Mut auf, Evan nach seinem Liebesleben zu fragen.
Er rang sich ein leises Lachen ab. »Welches Liebesleben?«
»Triffst du dich denn mit gar niemandem?«
»Das zählt im Moment nicht zu meinen obersten Prioritäten, Mom. Ich bin auch nicht wirklich auf der Suche.«
Sein Vater räusperte sich. »Was ist mit Tara?«
»Was soll mit ihr sein?« Die Erwiderung kam schroffer heraus, als er beabsichtigt hatte. »Habe ich euch nicht erzählt, dass sie keinen meiner Briefe beantwortet hat - nicht einen einzigen, Dad! -, und ich habe ihr mindestens ein Dutzend Mal geschrieben? Deutlicher hätte die Botschaft wohl kaum ausfallen können. Außerdem hat sie, soviel ich letztens gehört habe, einen neuen Freund.«
»Wann hast du das gehört?«, fragte Eileen.
»Im Walter Reed. Der Typ kam mich sogar besuchen.«
»Was?«, sagte Evans Vater erstaunt. »Taras neuer Freund? Wieso hat er dich besucht?«
»Keine Ahnung. Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen.«
»Weil er jetzt mit Tara befreundet ist?«
»Weil er meine Freundin angebaggert hat, als ich ihn zu ihr geschickt habe, damit er ihr einen meiner letzten Briefe persönlich überbringt. Und als ich dann halbtot im Krankenhaus lag, hat er sie mir ausgespannt. Wäre das etwa kein Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben? Oder weil er Schuld daran war, dass ein ganzer Konvoi ausgelöscht wurde?«
»Meinst du deine Jungs?«, fragte Eileen. »Soll das heißen, Taras neuer Freund ist der Mann aus deinem Konvoi, der zu früh das Feuer eröffnet hat?«
»Ja, so ist es, Mom. Ron Nolan. Ich glaube, ich habe schon einige Male von ihm erzählt.«
»Ja, und nie sehr nett«, sagte Jim Scholler.
Evan nahm einen Schluck Wein. »Was sollte es über so jemanden auch Nettes zu sagen geben?«
»Evan.« Diese Vorstellung ließ Eileen die Stirn runzeln. »Das ist das erste Mal, dass ich höre, dass er mit Tara zusammen ist.«
»Augenblick mal«, schaltete sich Jim ein. »Ich dachte, du hättest dich wegen des Kriegs mit Tara überworfen. War dieser Nolan nicht auch im Irak?«
»Klar«, sagte Evan. »Schon komisch, nicht? Anscheinend lag es also doch nicht am Krieg, dass es mit mir und Tara nicht geklappt hat. Vielleicht wollte sie einfach Schluss machen mit mir, und dann kam ihr das als Vorwand gerade recht.«
»Nein.« Eileens Ton war sehr bestimmt. »So etwas hätte Tara nicht getan. Sie hätte dir die Wahrheit gesagt.«
Er schüttelte
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