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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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den Kopf. »Ich glaube nicht, dass wir wissen, was für ein Mensch Tara wirklich ist, Mom. Nicht mehr jedenfalls.«
    Doch Jim kam noch einmal mit seiner ursprünglichen Frage an. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, hat dich also dieser Nolan im Walter Reed besucht, um sich bei dir zu entschuldigen?«
    »So hat er es jedenfalls hingestellt. Aber in Wirklichkeit wollte er mir nur nochmal extra eine reinwürgen, wenn du mich fragst.«
    »Wieso denn das?«, fragte Eileen.
    »So ist er nun mal, Mom. Er ist ein typischer Söldner, und dieses irakische Auto hat er nur deshalb zusammengeschossen, weil er es wollte, Punkt. Und weil er es konnte. Und wenn
du es genau wissen willst, ist er unter anderem auch deshalb ins Walter Reed gekommen, um mir unter die Nase zu reiben, dass er ungestraft davongekommen ist. Und bei dieser Gelegenheit hat er mir auch noch gleich meine Freundin ausgespannt. Glaubt mir, das ist eine richtig üble Type.«
    »Und was findet dann Tara an ihm?«
    »Darauf wollte ich gerade hinaus, Mom. Sie ist nicht so, wie du glaubst, dass sie ist.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, wie du so etwas sagen kannst.«
    Angesichts der unerschütterlichen Ruhe seiner Mutter und angesichts ihrer hartnäckigen Weigerung, schlecht von jemandem zu denken, platzte Evan plötzlich der Kragen. Er hieb mit der flachen Hand auf den Tisch und stieß mit gebrochener Stimme hervor: »Na schön, und wie findest du das, Mom? Als Nolan ihr erzählt hat, dass ich verwundet wurde, weißt du, was sie darauf gesagt hat? Sie hat gesagt, ich hätte es ja nicht anders gewollt. Genau das waren ihre Worte.« Über seine Augen hatte sich ein glasiger Glanz gelegt, aber die Tränen, die darin schimmerten, waren Tränen der Wut, nicht des Schmerzes. »Es hat sie völlig kaltgelassen, Mom. So ein Mensch ist sie inzwischen.«
    Eine Weile war das Rauschen des Winds in den Obstbäumen das einzige Geräusch, das im Garten zu hören war.
    »Das kann ich nicht glauben«, sagte Eileen endlich. »Das kann einfach nicht wahr sein.«
    Evan holte tief Luft und hob den Kopf, um seiner Mutter direkt in die Augen zu sehen. Trotz aller Niedergeschlagenheit und Verbitterung hatte er seine Stimme wieder unter Kontrolle. »Sei mir nicht böse, Mom, aber woher willst du das wissen? Das ist, was sie gesagt hat.«

    Eileen legte ihrem Sohn beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Und wann war das?«, fragte sie.
    »Wann soll was gewesen sein?«
    »Als sie von deiner Verwundung erfuhr und sagte, du hättest es nicht anders gewollt.«
    »So genau weiß ich das nicht. Irgendwann Anfang September, kurz nachdem Nolan aus dem Irak zurückgekommen war, etwa um die Zeit, als ich ins Walter Reed kam.«
    »Nein, das kann nicht sein.« Darauf erzählte sie ihm von ihrer Begegnung mit Tara kurz vor Weihnachten im Supermarkt. »Ich mag ja vielleicht hoffnungslos dazu tendieren, immer nur das Gute in den Menschen zu sehen, und ich weiß, dass ich damit manchmal falschliege. Aber sie kann unmöglich schon von deiner Verwundung erfahren haben, bevor ich ihr davon erzählt habe. Und das war im Dezember.«
    »Wenn das stimmt, warum hat sie mich dann nicht angerufen? Einfach nur um zu sehen, wie es mir geht? Um mir gute Besserung zu wünschen? Um mir ein bisschen …?« Er verstummte abrupt, als ihm plötzlich die Rentiere an der Wand neben seinem Bett einfielen und dass sie ihn kurz vor Weihnachten - als er sich geweigert hatte, mit ihr zu sprechen - im Walter Reed angerufen hatte. Falls seine Mutter Recht hatte, war das gewesen, kurz nachdem Tara von seiner Verwundung erfahren hatte.
    Eileen tätschelte Evans Arm. »Vielleicht hat sie dich nicht angerufen, weil sie damals schon mit diesem Nolan zusammen war. Vielleicht hatte sie deswegen ein schlechtes Gewissen, oder es war ihr einfach irgendwie peinlich. Aber was ich damit sagen will, ist, dass sie im September noch keinesfalls von deiner Verwundung gewusst haben kann. Und ich kann
mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie gesagt haben soll, du hättest es nicht anders gewollt.«
    »Aber warum …?«
    Jim, der dem Wortwechsel aufmerksam gefolgt war, konnte seinen Enthusiasmus nicht mehr aus seiner Stimme halten. Er wusste die Antwort, bevor Evan die Frage zu Ende gestellt hatte. »Warum könnte Nolan den weiten Weg ins Walter Reed gemacht haben, nur um dich zu belügen? Wollte er vielleicht, dass du Tara so hasst, dass du nicht in Versuchung kommst, sie anzurufen, wenn du nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hierher

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