Schattenkampf
lästig.«
»Und wie findest du dann raus, ob es eine Splittergranate war oder nicht?«
Spinoza lehnte sich zurück und schwang die Füße vom Schreibtisch. »Sei da mal unbesorgt, mein Lieber. Das ATF hat bereits Proben vom Tatort eingesammelt. Sie werden sie bis heute Nacht analysiert haben, und dann haben wir alle Gewissheit. Wenn es ist, was es ist, rückt noch vor morgen früh das FBI an. Der vorläufige Stand ist: ja, Splitter. Es wird also ihr Fall.«
»Und was soll daran so schlimm sein, Fred? Verfügen sie denn nicht über erheblich bessere Möglichkeiten als wir?«
»Keine Frage, das auf jeden Fall. Mehr Mittel, mehr Geld, mehr Zugang zu Daten und was weiß ich noch alles. Die Sache ist nur - sie rücken nichts raus. Für uns wird es also darauf hinauslaufen, dass wir eine Woche damit vertun, Dinge zu finden, die sie längst haben. Es ist eine Art Wettrennen, wer schneller ans Ziel kommt, nur dass uns dabei ein Bein auf den Rücken gebunden ist.«
»Die gängige Redewendung lautet aber etwas anders.«
»Tatsächlich?« Spinoza verdrückte den letzten Bissen seines Sandwiches. »Genau so komme ich mir aber vor.«
Er kannte den Schlosser von Ace Hardware sowohl von der Highschool wie aus dem Softballteam. Es war kurz vor zwei Uhr nachmittags, und Evan hatte seinem Lieutenant James Lochland gerade erklärt, er hätte einen Migräneanfall und müsste sich in seinem abgedunkelten Schlafzimmer ein wenig hinlegen. Dave Saldar fuhr vor Nolans Stadthaus an den Straßenrand und parkte hinter Evans CR-V.
Evan, in Polizeiuniform, um seine Legitimität zu unterstreichen, stieg aus seinem Auto und klatschte sich mit Dave auf dem Gehsteig ab. Nachdem sich Dave ein paar Minuten lang auf den neuesten Stand hatte bringen lassen - er hatte von Mannschaftskameraden bruchstückhaft von Evans Geschichte gehört -, kamen sie zu dem Grund, weswegen Evan Dave herbestellt hatte.
»Du hast nicht zufällig unter einem Stein oder was einen Ersatzschlüssel versteckt?«, fragte Dave.
»Nein. Ich dachte nicht, dass ich meine Schlüssel mal vergessen könnte. Wer vergisst schon seinen Hausschlüssel?«
»Meine Frau jedes Mal, wenn sie aus dem Haus geht.«
»Tja, da siehst du’s, ich nicht. Ist mir noch nie passiert.«
»Wenn du wüsstest, wie oft ich genau das schon zu hören gekriegt habe. Was glaubst du wohl, wofür es Schlüsseldienste gibt?«
»Konnte ich mir noch nie erklären.«
»Tja, jetzt weißt du es.« Saldar deutete mit dem Kopf auf die Häuser. »Okay, welches ist deins?«
Sie gingen auf Nolans Haustür zu, die zum Teil von einer L-förmigen Glasbausteinwand von der Straße abgeschirmt war. Saldar holte sein Werkzeug heraus und machte sich an die Arbeit. Evan stellte fest, dass seine Knie so weich waren, dass er sich an der Wand abstützen musste. Mit jeder Sekunde,
die verstrich, wurde ihm die Ungeheuerlichkeit dessen, was er da gerade tat, stärker bewusst. Ihm war so zweierlei wie damals bei Nolans nächtlicher Razzia in dem Wohnviertel am BIAP. Die Stelle, an der sie ihm den Schädel aufgeschnitten hatten, pochte wie verrückt. Die Migräne, die er für Lieutenant Lochland erfunden hatte, drohte Wirklichkeit zu werden - an den äußeren Rändern seines Gesichtsfelds explodierten lautlose Lichtpunkte. Er behielt unablässig die Straße im Auge und fiel fast in Ohnmacht, als ein gelbes Miata-Cabrio über die Kuppe kam und an ihnen vorbeifuhr.
Saldar, dem Evans Nervosität nicht entging, schaute zu ihm auf. »Ist irgendwas?«
»Nein, nein, alles okay.« Aber er konnte spüren, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Es kostete ihn alle Selbstbeherrschung, um seine Hand zu heben und über seine Stirn zu wischen.
Endlich drehte Saldar den Knopf und drückte die Tür auf. »Na, siehst du, eine Minute fünfzehn Sekunden. Könnte fast ein neuer Rekord sein.«
»Ist es sicher auch, Dave. Echt stark.«
Saldar hielt die Haustür auf. »Fehlt dir wirklich nichts, Ev? Du siehst wirklich nicht gut aus.«
»Mir fehlt nichts. Es ist nur, dass sich mein Kopf wieder mal bemerkbar macht, mehr nicht.« Er griff nach seiner Geldbörse und dachte: Ich muss sehen, dass er schnellstens verschwindet! Nicht auszudenken, wenn Nolan jetzt auftaucht. Aber er sagte ganz beiläufig: »Was bin ich dir schuldig?«
»Sagen wir dreißig, unter Freunden. Wenn du willst, kannst du schnell deine Schlüssel holen, dann kann ich dir im Auto schnell ein paar Nachschlüssel machen, fünf Dollar das Stück.«
»Danke, nicht nötig.«
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