Schattenkampf
eine Abbildung eines Rentiers und versuchte, sich an die Bezeichnung dafür zu erinnern -, aber was er hier genau zu erreichen hoffte, entzog sich ihm weiter.
Er schaute auf die Pistole hinab und legte sie in das offen stehende Handschuhfach zurück, dann klappte er es zu und schloss es mit dem Schlüssel ab. Dann wurde ihm - er hatte die Schlüssel noch in der Hand - klar, dass er hier verschwinden musste, bevor er noch eine Dummheit beging. Etwas, was er nicht einmal sich selbst erklären konnte.
Deshalb startete er den Wagen. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 22.42 an.
Er legte den Gang ein, fuhr los und war keine fünf Meter gekommen, als er so abrupt auf die Bremse stieg, dass die Reifen quietschten. Die Fenster waren offen, er hatte die Scheinwerfer noch nicht angemacht, und in der lauen Sommernacht ohne Licht zu fahren, zündete einen Funken - irgendwie war ihm diese Situation vertraut.
In den Monaten seit seiner Verwundung hatte sich der Vorfall aus den vorderen Schichten seines Gedächtnisses zurückgezogen, aber jetzt, ganz plötzlich, entfachten die einzelnen Elemente dieser Nacht eine Vision der nächtlichen Razzia mit Nolan, bei der sie in dem Viertel nicht weit vom BIAP das Aufständischennest ausgeräuchert hatten. Der grelle Lichtblitz und die gewaltige Explosion, von der die Fenster herausgeflogen waren; die in die Nacht hinaus züngelnden Flammen und das hinter ihm losbrechende Gewehrfeuer.
Ein von Söldnern durchgeführter Mordanschlag.
Eine Explosion und dann ein Feuer.
Irgendwo in der Nähe bellte ein Hund.
Evan ließ seinen angehaltenen Atem entweichen, schaltete das Licht ein und nahm den Fuß von der Bremse.
13
»Also, mein Junge«, sagte Spinoza, »die neueste Theorie, die aber immer noch falsch sein könnte, ist, dass es eine sogenannte Splittergranate war. Damit müsstest du dich eigentlich auskennen. Offensichtlich kommen diese Dinger im Irak zur Zeit ziemlich häufig zum Einsatz. Sprengen alles in Fetzen, so dass man hinterher eine Schneeschippe brauchte, um es einzusammeln. Was übrigens ziemlich genau dem entspricht, womit wir es hier zu tun haben.« Er setzte sich zurück, legte die Füße auf den Schreibtisch, griff nach seinem Sandwich und biss davon ab. »Aber warum interessiert dich das? Bringst du deinen pubertären Scheißern im Zug von DARE jetzt neue Hinrichtungsmethoden bei?«
»Ach, nur so«, sagte Evan. »Ich fand es nur irgendwie interessant. Ich kann mich nicht erinnern, gehört zu haben, dass jemand auf diese Weise umgebracht wurde. Jedenfalls nicht hier in den Staaten.«
»Tja.« Der Lieutenant kaute nachdenklich. »Zugegeben, so was ist nicht gerade an der Tagesordnung. Jemand wollte diese Leute mausetot haben, mit Mordsgetöse. Das war nicht irgendein schießwütiger junger Spund, der aufs Geratewohl in eine Villa reinballert und hofft, dass es jemanden erwischt.«
»Könnte es der Mann, das Opfer, selbst getan haben?«
Spinoza zuckte mit den Schultern. »Ganz auszuschließen ist es wahrscheinlich nicht. Es gibt keine Spuren, die auf eine weitere Person hindeuten. Aber bisher gibt es auch absolut keine Hinweise, weshalb Mister Khalil so etwas getan haben könnte. Seine Firma lief bestens. Offensichtlich liebte er seine Frau. Keine gesundheitlichen Probleme. Das ist zumindest, was wir vom Rest der Familie erfahren haben. Und glaub mir, der Rest der Familie ist ziemlich umfangreich. Deshalb würde ich Mord oder Selbstmord ausschließen, womit nur ein Profi bleibt. Eines kann ich dir nämlich sagen. Wer das getan hat, hat die Sache absolut professionell angepackt. Im Augenblick ist das einzige Indiz, das wir - möglicherweise - haben, die Reste der Splittergranate. Und nur unter uns gesagt, eigentlich wäre es mir lieber, wir hätten sie nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil es sich, wie es im Moment aussieht, um einen Mord an einem hier ansässigen Geschäftsmann handelt. Weil Khalil ein voll integrierter Mitbürger war, wäre jedenfalls nichts daran auszusetzen, wenn wir den Fall so einstufen.«
»Woher kam er ursprünglich?«
»Habe ich dir das gestern Abend nicht erzählt? Aus dem Irak. Die Hälfte seiner Familie lebt anscheinend immer noch dort. Die andere Hälfte hat die Seven-Eleven-Konzession für die Bay Area unter sich aufgeteilt.«
»Und wo liegt dann das Problem mit der Splittergranate?«
»Man darf keine Splittergranate besitzen. Das ist ein Verstoß gegen Bundesgesetze. Das heißt, das ATF wird sich einschalten. Und das wiederum ist
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