Schattenkinder - im Zentrum der Macht
hier klar, oder? Du machst dich doch nicht aus dem Staub?«
»Wo sollte ich schon hin?«, fragte Trey zurück.
Dann ging Mark und nahm das Licht mit. Trey wälzte sich in der Dunkelheit unruhig auf dem festgetretenen Lehmboden hin und her.
Ich hätte Mark sagen sollen, dass ich zurückgehe und im Haus der Talbots übernachte. Dann hätte er mich morgen früh dort abholen können. Statt im Dreck hätte ich heute Nacht auf Daunen gebettet schlafen können.
Doch das Haus der Talbots erschien ihm jetzt unheimlicher denn je. Er hatte das gierige Funkeln in Marks Augen gesehen, als Trey ihm erzählte, dass Mrs Talbot all ihre Besitztümer zurückgelassen hatte und es sie nicht kümmerte, ob sie sie zurückbekam. Es musste noch unzählige andere geben, noch gierigere Menschen als Mark, die es auf den Besitz der Talbots abgesehen hatten. Wenn er die Augen zumachte,konnte er die Horden auf die Villa zuhalten sehen: Jungen in Flanellhemden wie Mark; Männer in Uniform wie die Bevöl kerungspolizisten und neue Regierungsbeamte in Anzug und Krawatte.
Und sie alle machten Trey Angst.
11. Kapitel
T rey hatte das Gefühl, es sei mitten in der Nacht, als Mark zurückkam und ihn an der Schulter rüttelte.
»Hier, zieh das an«, murmelte Mark.
Benommen nahm Trey ein dick gefüttertes Flanellhemd entgegen – fast eine Jacke. Er legte es sich so gut es ging über die Schultern. Es war
wirklich
warm und Trey war fast ein wenig gerührt, dass Mark es ihm überlassen hatte. Trey trug immer noch die vornehme Dienstkleidung, die er am Abend der verhängnisvollen Party bei den Grants getragen hatte: elegante, schwarze Hosen und ein dünnes, weißes Hemd. Nur dass man Letzteres inzwischen kaum noch weiß nennen konnte. Nicht, nachdem er sich mehrere Tage bei den Talbots versteckt und nun auf dem blanken Lehmboden übernachtet hatte.
»Achtung, dein Kopf«, sagte Mark brummig, als Trey unter dem Pritschenwagen hervorrollte.
Mark zog die Fahrertür auf und ein blendend helles Licht ging in der Kabine an.
»Knöpf das lieber zu«, sagte Mark. Trey schaute verwirrt. Zuknöpfen – ein Licht? Eine Tür? Einen Pritschenwagen?
»Das
Hemd
«, erklärte Mark ungeduldig.
Mit hochrotem Kopf zwang Trey seine steifen Finger die Knöpfe durch die Knopflöcher zu schieben. Dann rutschte er auf den Beifahrersitz, auch wenn es sich anfühlte, als klettereer direkt in einen Scheinwerfer. So weit wie möglich vom Licht entfernt kauerte er sich gegen die Beifahrertür.
»Dann wollen wir mal«, sagte Mark.
Trey drehte sich um und sah, dass Mark hinter dem Pickup ein großes Tor aufgeschoben hatte, das aus der Scheune herausführte. Ein riesiges Stück Sternenhimmel schien ihm direkt ins Gesicht zu leuchten.
»Nein, warte«, sagte Mark. »Schieben wir ihn lieber bis zur Straße.« Trey machte ein verständnisloses Gesicht. »Damit uns keiner hört.«
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Mark Trey die Sache erklärt hatte: Trey sollte aus dem Wagen klettern, sich vor die Motorhaube stellen und mit aller Kraft schieben, bis der Pickup auf die Straße hinausrollte.
»Das kann ich nicht«, jammerte Trey.
Mark starrte ihn einen Moment lang an, dann sagte er: »Schön. Du lenkst, ich schiebe.«
Anschließend musste Mark ihm praktisch eine komplette Fahrstunde erteilen: »Dreh das Lenkrad ganz langsam . . . Nein, nein, nicht nach vorn schauen, du musst nach hinten durch die Heckscheibe rausschauen –«
»Warum?«, fragte Trey. »Warum zeigt der Sitz nach vorn, wenn ich doch nach hinten sehen soll?«
»Weil wir rückwärts fahren«, erklärte Mark genervt.
Trey fragte sich, wie lange Mark wohl noch brauchen würde, bis er ihn wutschnaubend zum hoffnungslosen Fall erklärte: »Okay! Du bleibst hier! Ich rette meinen Bruder allein!«
Ist es das, was ich wirklich will?
, fragte sich Trey.
Das war noch so eine Frage, über die er nicht nachdenken wollte.
Schließlich schien Mark überzeugt zu sein, dass Trey den Wagen richtig lenken konnte. Er schaltete das Fahrzeug in den Leerlauf und ging nach vorn zur Motorhaube.
Mark war stark. Im Handumdrehen hatte er den Pritschenwagen dorthin geschoben, wo der Kiesweg anfing. Dann ging er zurück und machte das Scheunentor zu, wäh rend Trey sich im Wageninneren zusammenkauerte.
»Hast du vor, die ganze Strecke selbst zu fahren?«, fragte Mark, als er zurückkam.
»Wie? Oh!«, sagte Trey, gab das Lenkrad frei und rutschte zur Seite.
Mark stieg ein und schloss die Tür. Er drehte den Schlüssel,
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