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Schattenkinder - im Zentrum der Macht

Schattenkinder - im Zentrum der Macht

Titel: Schattenkinder - im Zentrum der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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hatte er sich an der rauen Steinmauer aufgekratzt und die andere an einer dornigen Pflanze, die er erst bemerkt hatte, als es zu spät war. Er war so benebelt von Schmerz und Erschöpfung, dass ihn nicht einmal der offene Himmel störte. Was sollte ihm die schreckliche Natur wohl sonst noch antun?
    Es war Mark, der ihn davon abhielt, auf die Lichtung hinauszulaufen.
    »Warte«, flüsterte er und packte ihn am Arm. »Sieh mal.«
    Wieder spähte Trey durch die Blätter. Er musste zweimal blinzeln, weil er glaubte, seine Augen spielten ihm einen Streich. Dort, in der Auffahrt zum Tor des Anwesens der Grants, standen Hunderte Männer und Jungen in einer Reihe hintereinander und warteten geduldig . . . auf was? Und warum hatten er und Mark sie nicht gehört? Wie konnten so viele Menschen so leise sein?
    Dann sah Trey, dass keiner von ihnen redete. Oder, doch – einige von ihnen schon, aber nur flüsternd, mit geneigtem Kopf und ganz leise. Es war, als hätten sie ebenso große Angst, belauscht zu werden, wie er und Mark.
    »Was, glaubst du, was die dort machen?«, fragte Mark.
    Trey schüttelte nur den Kopf. Mark wirkte enttäuscht, als habe er diese Menschenmenge für ein alltägliches städtisches Phänomen gehalten, das Trey verstehen und ihm erklären konnte.
    »Ich frag einfach jemanden«, erklärte Mark.
    »Nein!«, platzte Trey heraus. »Sie könnten   –«
    »Was?«, fragte Mark. »Was würden sie mir wohl schlimmstenfalls antun für eine Frage?«
    »Dich umbringen«, antwortete Trey leise.
    Mark verdrehte die Augen.
    »Hilf mir«, sagte er dann. »Lass uns den Richtigen aussuchen.«
    Treys Ansicht nach war in der Schlange einer so gut wie jeder andere. Trotzdem spähte er noch einmal gehorsam durchs Geäst. Sämtliche Männer in der Schlange trugen zerlumpte Kleidung; alle waren dünn und hatten ausgemergelte Gesichter. Doch bei genauerem Hinsehen konnte Trey sehr wohl einige Unterschiede feststellen. Einige in der Reihe waren noch sehr jung – etwa in seinem Alter, vielleicht sogar noch jünger – und sie blickten am hoffnungsvollsten drein. Manche wirkten sogar, als seien sie im Begriff, sich auf ein Abenteuer einzulassen. Die ältesten Männer dagegen starrten mit blicklosen Augen abwesend ins Leere. Einige von ihnen sahen wirklich aus, als wären sie imstande jemanden wegeneiner Frage umzubringen. Vielleicht hatten sie aber auch selbst das Gefühl, bald umgebracht zu werden.
    »Der da«, sagte Mark plötzlich.
    Er zeigte auf einen etwa gleichaltrigen Jungen. Trey wusste sofort, warum er ihn ausgesucht hatte. Er trug ein ähnliches Flanellhemd wie sie selbst.
    »Du willst doch nicht   –, du kannst doch nicht   –«, stotterte Trey.
    Aber Mark war bereits aus dem Gebüsch getreten und ging auf die Reihe zu.
    Trey sah ihm ängstlich hinterher. Er klammerte sich so fest an den Baum, neben dem er stand, dass sich unter seinen Händen die Rinde löste.
    Mark schlenderte förmlich hinüber. Zuerst nahm niemand in der Reihe Notiz von ihm. Doch als er den Rand der asphaltierten Straße erreichte, wandten ihm einige Jungen die Köpfe zu. Einer davon war der Junge im Flanellhemd.
    »He«, sagte Mark. »Wofür steht ihr hier an?«
    Der Flanellhemdjunge sah sich verzweifelt um, als hoffe er, Mark möge einen anderen angesprochen, die Aufmerksamkeit auf einen anderen gerichtet haben. Doch dann antwortete er. Trey sah, wie sich sein Mund bewegte, auch wenn er nicht ein Wort verstehen konnte.
    Mark trat näher an den Flanellhemdjungen heran. Obwohl er Trey jetzt den Rücken zuwandte, konnte dieser an seiner Kopfhaltung erkennen, dass er ebenfalls redete, allerdings so leise, dass Trey ihn nicht hören konnte. Mark und der Flanellhemdjunge führten ein richtiges Gespräch, mal sprach der eine, mal der andere. Beide wirkten sehr lebhaft.Einmal runzelte der Flanellhemdjunge die Stirn über etwas, das Mark gesagt hatte. Dann legte er die Hände trichterför mig an Marks Ohr und flüsterte ihm etwas zu, das niemand sonst hören sollte.
    Kurze Zeit später kam Mark in den Wald zurück.
    »Was ist los?«, fragte Trey, sobald er in Hörweite war. »Was tun sie da?«
    »Sie stehen an, um der Bevölkerungspolizei beizutreten«, antwortete Mark.
    »Wie bitte?«, sagte Trey. Mit unterdrücktem Schaudern sah er wieder zu der endlos langen Reihe hinüber. »Im Haus der Grants? Was haben die Grants denn mit der Bevölke rungspolizei zu tun?«
    Auch Mark blickte zu der Menschenschlange hinüber. Doch seine Augen schienen nichts

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