Schattenkinder - im Zentrum der Macht
und sein Körper vom Strom unversehrt.
Nur dass das Rückspulen für Trey noch weitergehen müss te . Er wünschte sich Lee und Nina entkidnappt, Mr Talbot unverhaftet und die Regierung ungestürzt. Und er wollte wieder in der Hendricks-Schule sein – nein, zurück in seinem Elternhaus.
Er wollte, dass sein Vater wieder am Leben war.
Hier hielt Trey an, in jener guten alten Zeit, als andere für ihn sämtliche Entscheidungen getroffen, sich um ihn geküm mert und ihm gesagt hatten, was er zu tun und zu lassen hatte.
Jetzt hatte er niemanden mehr. Nichts und niemanden.
Er begann hemmungslos zu wimmern und schlang die Arme um den Leib. Die Papiere, die er von den Grants und den Talbots mitgenommen hatte, knisterten unter seinem Hemd. Die Finger seiner linken Hand berührten seine Hosentascheund er griff hinein, um die gefälschte Ausweiskarte beinahe zärtlich in der Hand zu halten.
Er besaß nichts außer Dokumenten und einem falschen Ausweis. Na und?
Im Dämmerlicht des Waldes suchte er den Weg zurück und wäre fast über den Proviantsack gestolpert, den Mark von sich geworfen hatte, bevor er durch den Zaun gestiegen war. Selbst die Tatsache, dass er etwas zu essen hatte, erschien Trey inzwischen sinnlos. Verbittert trat er gegen den Rucksack. Es fühlte sich richtig gut an, genauso gut wie das Ballspiel, das er mit Lee und dem Rest seiner Freunde in der Hendricks-Schule gespielt hatte. Er trat noch einmal gegen den Rucksack und kickte ihn so weit fort, dass Trey nicht einmal sah, wo er landete.
Er suchte nicht nach ihm, sondern brach hilflos auf dem Boden zusammen wie ein Häuflein Elend.
Lee, ich wollte dir helfen
, rief er seinem Freund im Stillen zu – dem Freund, den er vermutlich nie wieder sehen würde.
Ich habe es versucht
. Aber hatte er es auch genug versucht? Mark schon. Mark hatte alles getan, was möglich war.
Und Mark – es tut mir Leid, dass ich auch dich nicht retten kann.
Ein vertrautes Gefühl durchströmte Trey: Resignation. So hatte er sich zu Hause immer beim Schachspielen mit seinem Vater gefühlt. Jedes Mal spielten sie eine Weile, Trey verlor ein paar Figuren, auch sein Vater musste ein oder zwei abgeben – und plötzlich sah Trey auf das Brett und begriff, dass er in der Falle saß. Nichts, was er tat, würde verhindern, dass sein Vater gewann. Irgendwann lachte sein Vater dann leiseauf – wie Trey dieses Lachen hasste! – und sagte: »Und jetzt kommt das Finale.«
Vor dem Finale. Genau das war der Punkt, an dem Trey sich jetzt befand. Die Bevölkerungspolizei hatte Lee und Nina. Und sie hatten Mark. Sie hatten dafür gesorgt, dass das ganze Land Schlange stand, um in ihre Dienste zu treten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie auch Trey haben würden. Bis sie ihn umbrachten.
Es sei denn . . .
Trey dachte an eine ganz bestimmte Partie gegen seinen Vater. Es war ihre letzte gewesen. Er hatte seine Figuren wie üb lich ohne große Hoffnung über das Brett geschoben und unter jedem Satz seines Vaters gelitten: »Bist du sicher, dass du deinen Läufer dort stehen lassen willst? . . . Was glaubst du wohl, wohin ich meinen König als Nächstes ziehe?« Und dann hatte sich im Spiel plötzlich etwas verändert. Trey machte einen Zug mit einem Bauern und sein Vater wurde still. Trey bewegte die Dame und sein Vater begann mit den Zähnen zu knirschen.
Am Ende hatte Trey gewonnen; er hatte sich aus einer unüberwindbar geglaubten Falle befreit. Und er hatte es geschafft, seinerseits dem Vater eine Falle zu stellen.
Ob es auch jetzt einen Weg gab, trotz allem zu gewinnen? Gab es einen Weg, Mark und Lee zu retten – und dabei am Leben zu bleiben?
Nicht mit einem Packen wertloser Dokumente und einem gefälschten Ausweis. Schließlich helfen mir die wohl kaum über die Absperrungen. Es gibt keinen Weg hinein.
Doch, es gab einen. Die Bevölkerungspolizei schleusteHunderte Männer und Jungen durch das große Eingangstor hinein.
Trey bekam Gänsehaut, als eine Idee in ihm zu reifen begann. Er wünschte fast, sein Kopf würde nicht ganz so gut funktionieren; fast sehnte er sich nach dem alten Ohnmachtgefühl, das ihn glauben ließ, er könne nichts tun. Dies war der gefährlichste Gedanke, der ihm jemals gekommen war.
Trotzdem würde er es tun.
Er, Trey – der größte Feigling der Welt, ein Schattenkind, das den Großteil seines Lebens im Versteck gesessen hatte –, würde Mitglied der Bevölkerungspolizei werden.
17. Kapitel
T rey stand am Ende der Schlange, die
Weitere Kostenlose Bücher