Schattenkrieg
Angeblich hat jemand beobachtet, wie der Schwarze Baum Derrien umgebracht hat.«
Es klopfte an der Tür, und Gwen sah herein. »Cardew … Pettar meint, der Gefangene hat dir etwas zu sagen …«
Der Ire stand auf, murmelte »Bin gleich wieder da« und verschwand nach draußen. Die Erleichterung über die Unterbrechung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Ronan starrte lange Zeit vor sich hin. Derrien … tot … Er konnte es sich gar nicht
vorstellen
. Derrien
konnte
gar nicht sterben! Sein ganzes Leben lang war sein kleiner Bruder bei allen wichtigen Momenten an seiner Seite gewesen … Bei der Belagerung Trollstigens hatten sie miteinander gekämpft, bei der Schlacht vom Jostedalsbreen ebenfalls … Er war bei seiner Hochzeit da gewesen und bei der Geburt seines Sohnes Ergad … Und nun sollte er
tot
sein? Er spürte Tränen in seine Augen steigen, doch er tat nichts, um sie zu verbergen. Derrien … Sein Bruder … Der größte Held seines Stammes … irgendjemandem musste ein Fehler unterlaufen sein, Derrien war viel zu schlau, um in eine Falle zu geraten, ein viel zu guter Kämpfer, um umgebracht zu werden, selbst von einem Teufel wie Rushai …
Und doch spürte er, dass es wahr sein musste. Er spürte ein riesengroßes Loch in seiner Seele an der Stelle, die sonst seine Liebe zu seinem Bruder einnahm.
Derrien war tot.
Und Ronan fasste einen Entschluss.
»Julius?«, fragte er. Er fühlte sich müde und erschöpft.
»Was kann ich für Euch tun, Fürst Ronan?«
»Erkläre mir, was ich tun muss, um dich bei deinen Zaubern zu unterstützen.«
»Aber Herr, ich dachte …«
»Ich möchte diesen Schwarzen Baum brennen sehen.« Kalter, blanker Hass sprach aus Ronans Herzen. »Wenn Cintorix der Einzige ist, der das bewerkstelligen kann, werde ich ihm helfen.« Er atmete tief durch. »Koste es, was es wolle.«
BATURIX
Allobroga, helvetisches Siedlungsgebiet, Norwegen
Montag, 30. November 1998
Die Innenwelt
»Noch einmal!«, rief Cintorix. Der Fürst hob den roten Schild mit der weißen Spinne vom Boden auf und näherte sich langsam.
Mit zusammengebissenen Zähnen brachte Baturix seine eigene Waffe in Verteidigungsposition. Seine Hände schmerzten fürchterlich von den vielen vorangegangenen Kämpfen.
Festhalten!
beschwor er sich selbst.
Nur nicht wieder fallen lassen!
Seine Kräfte waren am Ende. Der Schweiß rann ihm in Strömen von der Stirn. Sein Körper dampfte in der Kälte.
Auch der Fürst zeigte erste Zeichen der Erschöpfung: Seine Bewegungen waren nicht mehr so fließend wie vorher, und auch er war schweißgebadet. Das erfüllte Baturix mit einem gewissen Stolz. Doch Stolz war nicht angebracht. Nicht, wenn er wieder seine Klinge fallenließ.
Cintorix bewegte sich vorsichtig auf Baturix’ rechte Flanke, auf seine schwache Seite, diejenige, die sein Schild nicht decken konnte. Der Fürst war schon immer scharfsinnig gewesen, wenn es galt, eine Schwäche zu finden, und skrupellos darin, sie auszunutzen. Baturix’ Schwäche war seine Waffenhand, an der er zwei Finger verloren hatte. Die restlichen drei waren kaum stark genug, das Schwert festzuhalten …
Sein Herr stieß vor. Die Klinge kam hoch und hart. Baturix wagte nicht, den Schlag mit dem eigenen Schwert zu parieren – zu groß war die Angst davor, dass ihm die Waffe erneut entglitt. Stattdessen duckte er sich, wich dem Angriff aus und schwenkte den Schild nach vorne, um damit die nächste Attacke zu blocken.Im Gegenzug schwang er sein eigenes Schwert gegen Cintorix’ Flanke. Er traf jedoch nur die weiße Spinne auf dem Schild seines Fürsten. Die Wucht des Aufpralls sandte loderndes Feuer durch Baturix’ Hand. Verbissen hielt er die Faust geschlossen, trotz aller Instinkte, die ihm sagten, jetzt endlich loszulassen und seinen Schmerzen ein Ende zu bereiten. Cintorix schlug tief, Baturix wehrte erneut mit dem Schild ab. Sein Gegenangriff kam nicht schnell genug, so dass der Fürst Gelegenheit zu einem weiteren Angriff bekam: ein tänzelnder Schritt zur Linken, ein Stoß mit dem Schild, der Baturix’ eigenen blockierte, dann der Hieb, der ihm den Kopf abschlagen würde.
Seine Parade war purer Reflex, in jahrelangem Training erworben: In einer instinktschnellen Bewegung riss er die Klinge nach oben und parierte den Schlag. Dieses Mal war die Anstrengung jedoch zu viel, die Wucht von Cintorix’ Angriff riss ihm das Schwert aus der Hand und seine Verteidigung in Stücke. Der nächste Hieb saß in Baturix’ Kniekehlen, worauf
Weitere Kostenlose Bücher