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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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wurde langsam ungeduldig. Sie deutete auf die Albaner. »Sie –« Und dann auf das Loch. »Da hinunter.« Sie deutete an, eine Leiter hinunterzuklettern.
    Diesmal wurde sie verstanden. Das Mädchen fing wieder an zu weinen, während die Alte empört losschnatterte. Veronika versuchte, ihrer Stimme mehr Nachdruck zu verleihen, schaffte es aber nicht, die Albanerin von ihrer Anordnung zu überzeugen. Zu allem Überfluss quäkte nun auch noch Tönnes aus dem Walkie-Talkie. Entnervt sagte sie zu Bender: »Herr Unteroffizier, können Sie sich darum kümmern?« Sie deutete auf die Familie.
    »Ich werde mein Bestes tun«, antwortete der Mann mit unverbindlicher Miene.
    Tönnes rief sie schon wieder. Veronika riss das Funkgerät aus der Tasche und stänkerte: »Ja, Herrgott! Was gibt’s denn?«
    Trotz der Verzerrung durch die Funkübertragung war der Ernst aus Tönnes’ Stimme deutlich herauszuhören. »#Ich glaube, Sie sollten besser zu mir kommen. Ich bin an –#«
    »Schon unterwegs«, unterbrach sie ihn. Sie brauchte nur die Augenzu schließen, um ganz
genau
zu wissen, wo er sich befand. Sie überließ die Albaner Benders Obhut und lief los. Ihre Schritte schienen sich wie von selbst zu beschleunigen. Tönnes’ ernste Stimme …
Ich glaube, Sie sollten besser zu mir kommen …
das hatte anders geklungen als Kollborns schüchternes Um-Rat-Fragen.
    Sie fand seine Gruppe vor der Moschee auf dem Dorfplatz. Das Dach des Gebäudes war eingefallen, schwarzer, dünner Rauch quoll aus der Öffnung hervor. Fünf Männer standen im Kreis und reichten eine Zigarette herum. Einen kurzen Moment lang wollte Veronika sich schon darüber aufregen – sie hatte ausdrücklich befohlen, vorsichtig zu sein, und nun
rauchten
sie –, dann erkannte sie den Ausdruck in ihren Gesichtern. Entsetzen stand darin, in allen, ausnahmslos. Der Anblick des Gefreiten Kreis, ein besonders dickhäutiger Geselle, jagte einen Schauer über ihren Rücken, wie er so dastand mit völlig ausdruckslosem Gesicht,
wie leergefegt
. Seine Hand zitterte, als sie nach der vom Nebenmann angebotenen Zigarette griff. Die Soldaten reagierten auf das Erscheinen ihrer Zugführerin nur mit einem kurzen Nicken.
    Dann hörte sie das Schluchzen. Sie folgte dem Geräusch um den Eingang zu der Kirche herum. Ein Soldat saß dort auf einer Betonmauer und wimmerte leise. Tönnes’ massige Gestalt stand vor ihm, hatte die Arme auf die Schultern des Mannes gestemmt und redete auf ihn ein. Zwei weitere Soldaten standen daneben. Einer von ihnen murmelte mit heiserer Stimme »Die Chefin!«, worauf sich Tönnes zu ihr umwandte. Sie erkannte in der schluchzenden Gestalt den Halbfranzosen Garnier.
    »Kommen Sie mit«, meinte Tönnes nur und ging an ihr vorbei. Sie warf noch einen kurzen Blick auf Garnier, dann folgte sie ihm. »Hoffe, Sie haben heute noch nicht gefrühstückt«, murmelte er, als er durch den Eingang der Moschee trat.
    Veronika antwortete nicht.
    Der Vorraum hatte vom Brand offenbar nichts abgekriegt. An seinem Ende befand sich eine schwere, mit Eisen beschlagene Flügeltür, das rechte Tor war aufgebrochen. Dahinter war nurSchwärze zu erkennen – die Fenster der Moschee waren wahrscheinlich mit Brettern vernagelt, so dass kein Licht eindringen konnte. Ein schwacher Luftzug wehte von außen durch die offen stehende Tür in das Innere des Gebäudes. Tönnes trat zur Seite, um sie vorbeizulassen, und reichte ihr seine Taschenlampe. Sie griff danach, warf noch einmal einen Blick auf Tönnes’ steinernes Gesicht und schaltete sie an.
    Hinter der Tür lagen Körper. Dutzende. Schwarz verfärbt von Hitze und Feuer, ohne Kleidung, ohne Haare. Ineinander verkeilt, teilweise sogar übereinander. Veronikas Kehle schnürte sich zu, als das Entsetzen nach ihr griff. Dennoch zwang sie sich, auf die Tür zuzugehen und den Lichtkegel der Taschenlampe wandern zu lassen. Der Strahl fiel auf noch mehr Leichen, der gesamte Boden der Moschee war übersät mit Toten. Vor der Flügeltür waren jedoch die meisten, offenbar hatten sie bis zuletzt versucht, zu entkommen.
    Aus der Nähe erkannte Veronika grauenhafte Details. Das Fleisch der Toten war von der Hitze geschrumpft und verbacken, teilweise sogar bis auf den Knochen verbrannt. Die Leichen vor dem Eingang hatten teilweise Knochenbrüche und andere noch erkennbare Verletzungen, ganz so, als ob sie sogar darum
gekämpft
hätten, zum Ausgang zu kommen, der doch für sie verschlossen geblieben war. Vorsichtig stieg Veronika über die

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