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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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jedenfalls wahnsinnig lecker.« Der Feldwebel hatte die verzückte Miene eines Feinschmeckers aufgesetzt.
    Veronikas Blick wanderte zwischen dem Vorhängeschloss und Ulrich hin und her. Sie glaubte ganz und gar nicht daran, dass sich in dem Laster etwas zu
essen
befand, so sehr auch Nase und Speichel sie davon zu überzeugen versuchten. Öffnen konnte sie die Ladeluke nicht: Der schwelende Inhalt des LKWs,
was auch immer es war
, würde durch die Frischluft sofort Feuer fangen; vielleicht konnte das Fahrzeug davon sogar explodieren … Veronika ging weiter und wünschte sich Ulrichs dickes Fell.
    Tönnes meldete sich wieder. »#Gebäude komplett verwüstet. Drei weitere Tote im oberen Stockwerk.#«
    Und das werden nicht die Letzten sein!
Veronika bestätigte.
    Während Kollborn weiter vorausging, betrat Veronika wahllos ein paar der Hütten am Wegesrand. Die meisten von ihnen waren verwüstet und menschenleer, doch schließlich stieß sie doch noch selbst auf eine Leiche, ein alter Mann, der mit eingeschlagenem Schädel in einem Bett lag. Mit zusammengepressten Lippen zog Veronika die Decke über seinen Kopf.
    Wieder quäkte das Funkgerät. Diesmal war es Bender. »#Habe in einem Keller mehrere Überlebende gefunden.#« Der Begriff
Überlebende
fiel Veronika auf – Bender schien nicht mehr daran zu glauben, dass hier nur ein Überfall mit etwas Verwüstung stattgefunden hatte.
Ethnische Säuberungen
, so nannte man die Vorgängeschönfärberisch, wegen denen die Bundeswehr überhaupt hier war. Hatte so etwas hier stattgefunden?
    »Ich komme«, antwortete sie.
    Kurz darauf war sie bei ihm. Die Soldaten standen im Halbkreis vor einem heruntergekommenen Stall. Vor einer hochgeklappten Luke stand Bender und ließ gerade mit ehrlich leidender Miene einen Wasserfall aus albanischen Worten über sich ergehen, von einer älteren Frau mit grauen Haaren und eingefallenen Gesichtszügen. Ein Kind klammerte sich an ihr Bein, neben der Luke stand ein Mädchen, kaum älter als fünfzehn, das ein Kleinkind an die Brust gedrückt hielt und lautstark weinte. Ein Junge schließlich stand hinter der Luke und beäugte die Soldaten aus großen Augen.
    Bender musste Veronikas Schritte gehört haben. Er drehte sich um und rief ihr zu: »Ich verstehe kein Wort von dem, was sie sagt!«
    Ich muss wissen, was hier vorgefallen ist!
Sie brauchte einen Dolmetscher, und das dringend! Sie rief Kollborn über das Walkie-Talkie und befahl ihm, Wassermann und einen Beifahrer mit dem Wolf zurück nach Gnjilane zu schicken und Marwan herzuholen. Ihr Aufbruch während der Nacht war so rasch vonstatten gegangen, dass niemand an den Jungen gedacht hatte. »Sagen Sie ihm, dass er Gas geben soll!«, ordnete sie an.
    Inzwischen war auch die Alte auf sie aufmerksam geworden und lenkte nun ihren Redefluss zu ihr um. Bender warf Veronika einen mitleidvollen Blick zu. Sie versuchte, etwas in dem Kauderwelsch zu verstehen, ein paar Worte, die ihr durch die Arbeit mit Marwan vertraut vorkamen,
irgendetwas!
Doch es war hoffnungslos.
    »Was ist passiert?«, versuchte sie es noch einmal, langsam, jede Silbe betonend. »Wo sind die ganzen Leute?« Erfolglos. Die Alte hielt kurz inne, redete dann weiter. Veronika versuchte es mit Gesten, fragte sich aber, was sie damit bezwecken konnte: Selbst wenn sie von der Frau verstanden werden würde, würde diese doch nur auf Albanisch antworten … Verfluchte Sprachbarriere! Sie wich der Frau mit einem Seitenschritt aus und ging auf die anderenAlbaner zu. Der Junge wich hinter der Lukenklappe zurück bis zur Rückwand des Stalles. Das Mädchen rührte sich nicht.
    »Verstehen Sie Deutsch?«, fragte Veronika. »Do you understand English?« Als sie nur verständnislose Blicke erntete, fluchte sie gereizt: »Ach, Scheiße!«
    Zumindest den Tonfall schienen sie zu verstehen: Plötzlich stoppte der Redefluss der Alten. Veronika dachte fieberhaft nach. Was konnte sie nur tun? Vor allem: Wohin mit diesen Leuten? Wenn sie nun durch das Dorf irrten, würde das die Soldaten nur ablenken, und das war etwas, was ihre Leute in ihrer momentanen Anspannung am allerwenigsten gebrauchen konnten. Schlimmstenfalls konnte es passieren, dass sie jemanden aus Schreck oder Überraschung über den Haufen schossen …
    »Sie sollen wieder da hineinklettern und warten, bis wir hier fertig sind«, sagte sie zu Bender. Sie zeigte auf die Alte, dann auf das Loch: »Gehen – Sie – wieder – da – hinein!« Unverständnis in den Augen der Frau. Veronika

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