Schattenkrieg
Oberschenkel bildete sich eine Blutlache. Kreis kniete am Eingang der Moschee, das G36 im Anschlag. Die Waffe zuckte vom Rückstoß, als er feuerte. Andere Soldaten hatten sich in Deckung geworfen. Garnier saß immer noch auf der Mauer, starrte vor sich hin. Stimmengewirr prasselte auf sie ein.
»Siehst du ihn?«
»Geh endlich in Deckung!«
»Knall ihn ab, Mann, knall ihn ab!«
»Alles in Ordnung, Frau Leutnant?«
Veronika hatte sich inzwischen umgedreht. Kopfschüttelnd rappelte sie sich auf und lief zu Kreis, legte die Hand leicht auf seine Schulter. »Haben Sie ihn erwischt?«
Der Mann antwortete, ohne das Auge vom Visier seines Sturmgewehrs zu nehmen: »Nein.«
»Haben Sie überhaupt etwas gesehen?«
»Ja. Erster Stock, drittes Fenster von links.«
Veronika lugte aus der Deckung. Auf der anderen Seite des Platzes befand sich ein zweistöckiges Gebäude – das größte des Dorfes, vermutlich das Rathaus oder etwas Derartiges. Die meisten der Fenster waren vernagelt, aber bei weitem nicht alle. Um das Fenster, das Kreis beschrieben hatte, waren ungefähr ein Dutzend Einschusslöcher zu erkennen. Im Kircheneingang, zwei Meter vor ihnen, sah sie Ulrich knien, das Gewehr im Anschlag.
»Sie beide«, und damit zeigte sie auf zwei Männer, die mit ihr hinter dem Eingang waren, »holen Kowalsek hierher.« Nachdem die beiden genickt hatten, stellte Veronika sich über Kreis und zielte aus der Deckung heraus auf das Gebäude. »Sperrfeuer!«, befahl sie. Gleichzeitig begann sie, selbst zu feuern.
Die Schüsse hämmerten gegen das Gebäude, Veronika sah faustgroße Betonstücke und jede Menge Staub aus dem Fensterrahmen brechen. Der Verwundete schrie noch lauter, als ihn die Männer in Deckung zerrten. »Feuer einstellen!«, rief sie, als er in Sicherheit war. Ein Blick zu Garnier sagte ihr, dass der Mann immer noch nicht reagierte, selbst jetzt nicht, wo der verwundete Kamerad direkt vor seiner Nase lag.
Mit drei langen Schritten war sie bei ihm. »Garnier!«, schrie sie. Seine Augen glotzten sie verständnislos an. Sie verpasste ihm eine laut klatschende Ohrfeige. »Garnier, kümmern Sie sich um den Mann!«
Plötzlich kam Bewegung in ihn. »Was ist …?«, fragte er, schiendann endlich wieder wahrzunehmen, wo er war und was sich um ihn herum ereignete. Er sank neben Kowalsek in die Knie und begann, in seinem Rucksack zu wühlen.
»Frau Leutnant«, hörte sie Tönnes rufen, »Ihr Funkgerät!« Erschrocken bemerkte sie, dass eine Stimme aus dem Walkie-Talkie quäkte, und das vermutlich schon eine ganze Weile. Sie hastete zurück zu Kreis, um einen Überblick über die Straßen und Gassen um das große Gebäude herum zu bekommen, bevor sie ihren Gruppenführern Anweisungen geben konnte. Gerade, als sie sich über Kreis um die Ecke lehnte, gab dieser einen Feuerstoß ab.
Die Schüsse dröhnten in ihren Ohren. Wie durch Watte hörte sie ihn rufen: »Unteres Stockwerk, Fenster ganz links!«
»Getroffen?«, fragte sie sofort.
»Kann sein!«
Veronika wusste plötzlich, was sie tun musste. Sie ignorierte das Funkgerät – die anderen Gruppen waren ohnehin zu weit entfernt – und begann, Befehle auszugeben: »Kreis, Sie übernehmen Kowalseks Maschinengewehr! Tönnes, Sie nehmen sich zwei Mann und laufen hinter der Moschee entlang. Dort postieren sie einen Mann für den Feuerschutz und umrunden das Zielgebäude links. Ich gehe mit zwei Mann«, sie deutete auf Schmidt und Helmer, »direkt über den Dorfplatz und dann rechts herum. Ulrich bleibt mit dem Rest hier bei Kowalsek und hilft Garnier. Wenn es irgendwie möglich ist, will ich diesen Heckenschützen
lebend
!«
Die Soldaten nickten. Kreis ließ sich das leichte Maschinengewehr reichen. Nachdem er das Zweibein ausgeklappt und sich dahinter postiert hatte, meinte er: »Bereit, Frau Leutnant.«
»Also gut. Los geht’s!« Sie nickte in Richtung Tönnes. Dieser nickte zurück und verschwand mit seinen beiden Männern hinter der Kirche. Veronika zählte langsam bis drei, dann befahl sie: »Sperrfeuer!«
Als das Gewehrfeuer einsetzte, lief sie los. Es waren etwa fünfzig Meter über offene Fläche, ohne Deckung gegenüber dem Zielgebäude. Sie überquerte sie rennend, nicht in gerader Linie, unregelmäßigHaken schlagend, um dem Heckenschützen kein leichtes Ziel zu bieten, falls er trotz des Sperrfeuers auf sie anlegen sollte. Sie vertraute ihrem Kampfsinn ihr Leben an …
Veronika erreichte das Gebäude, ließ sich gegen die Wand prallen. Hinter ihr
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