Schattenkrieg
vor einen keltischen Rat gebracht werden …
Derrien ging durch den Flur zur Wohnzimmertür. Dichter Zigarettenqualm schlug ihm entgegen, als er den Raum betrat. Er unterdrückte den Hustenreiz und nickte seinen Leuten zu.
»Guten Abend. Ich hoffe, ihr habt die letzte Nacht gut und lang geschlafen. Heute werden wir nicht viel Gelegenheit dazu bekommen.«
Wie immer in dieser Runde gelang es ihm nicht, sich vollständig auf seine Worte zu konzentrieren. Wie immer irritierten ihn die Anwesenheit der Germanen sowie der Anblick eines völlig Fremden, der wie selbstverständlich inmitten seiner Männer saß. Wie immer ärgerte er sich darüber, sich so ablenken zu lassen. Eigentlich wusste er es besser. Es war Alistair, der Gesichtstauscher, erfahrener Diplomat und mächtiger Druide. Wie so oft fragte er sich, ob Alistair
selbst
noch wusste, wie sein eigentliches Gesicht aussah. Er wirkte ruhig und selbstsicher, erwiderte Derriens starrenden Blick mit einem kurzen Grinsen.
»Ich denke«, fuhr Derrien ärgerlich fort, »ich brauche niemandem hier zu sagen, dass unser Vorhaben
gefährlich
ist. Wir werden auf einen ganzen Haufen Schatten treffen, die uns nicht erkennen dürfen. Die Gesandtschaft der Renegaten wird genauso wachsam und angespannt sein wie wir. Wir dürfen sie nicht provozieren. Sie haben hier in der Stadt viel größere Ressourcen und können problemlos eine Unmenge von zusätzlichen Muskeln rekrutieren,deshalb ist ihre Gesandtschaft wahrscheinlich stärker als unsere. Außerdem kennen sie die Unterwelt wie ihre Westentasche.«
»Boss, das erzählst du uns jedes Mal!«, meckerte Skjøld.
Halt die Schnauze, oder ich bring dich um!
war Derriens erster Gedanke. Er hielt sich zurück – Skjøld war ebenfalls ein Germane, auf den sein Stammeshass ansprach. Skjøld und Leiff waren beides Seher und in der Lage, übernatürliche Wesen wie Geister und Schatten zu erkennen, eine für Derriens Zwecke unersetzliche Fähigkeit …
»Ja«, antwortete er. »Und ich werde es euch auch die nächsten Male wieder erzählen! Das da draußen ist kein Spiel, Skjøld, auch wenn es bisher gutgegangen ist! Ein falsches Wort kann uns da unten den
Kopf
kosten!«
Skjøld hob abwehrend die Hände. »Ist gut, Boss!«
Ist es nicht, du verfluchter Hurensohn!
Die Stimmen in seinem Hinterkopf tobten vor Hass. Für den Moment unfähig, weiterzusprechen, trat Derrien an den niedrigen Tisch und nahm sich eines der unbenutzten Gläser. Nachdem er sich Wasser eingeschenkt und mehrere Schlucke davon getrunken hatte, hatte er sich wieder im Griff. »Aber solange die Renegaten nach unseren Regeln spielen, werden wir die Sache durchziehen. Skjøld, Brynndrech, Alistair, ihr geht als Erste. Ihr bezieht Position bei unserem Treffpunkt und beobachtet, was passiert und wer dort ist. Eure Decknamen sind Sergej für Skjøld, Boris für Brynndrech und Asamov für Alistair.«
Die drei Männer trugen allesamt typische Heavy-Metal-Outfits, mit viel schwarzem Stoff, Kapuzen und allerlei aufgenähtem metallischen Schnickschnack. Derrien hielt ihre Aufmachung für glaubwürdig. Alistair war der Anführer des Teams, Skjøld seine Augen. Brynndrech, der bucklige Waliser, gab dem Team die nötige Muskelkraft, falls etwas schiefging – so viel Negatives man auch über den Jungen finden konnte, für seine Jugend war er ein ausgezeichneter Kämpfer.
»Wir anderen spielen die Rolle des Geschäftsmannes und seiner Leibwächter. Wir gehen rein, treffen uns mit den Renegaten, gebenihnen wenn nötig das Geld und verschwinden wieder. Ich bin Dmitriy Leiff ist Lew, Ingmar ist Ivan und Keelin ist … Sascha.«
Leiff, Ingmar und er selbst trugen schwarze Anzüge mit daruntergezogenen dunklen Rollkragenpullis, ganz nach Angewohnheit vieler Russen hier in Norwegen. Leiff würde beobachten; Ingmar besaß die Kraft der Geschwindigkeit und war im Messerwurf wie im Kampf gleichermaßen begnadet.
Keelin dagegen … Die Urquhart war die Jokerkarte. Ein verdammt riskanter Joker, zugegeben. Aber Derrien musste nehmen, was er bekam, und als er beim Rat für das Treffen mit den Renegaten um zwei zusätzliche Druiden gebeten hatte – Druiden, deren Gesichter die Bergener Schatten noch nicht kannten –, hatte man ihm neben Brynndrech eben auch die Urquhart gegeben. Sie nicht mitzunehmen wäre eine Verschwendung von Ressourcen gewesen.
Sie trug – im Kontrast zu ihm und seinen
Leibwächtern
– dunkelgraue überdimensionierte Tarnfleckhosen, schwere Springerstiefel, einen
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