Schattenkrieg
Chance mehr haben wird, Einfluss auf die Waldläufer zu nehmen …«
»Und? Behältst du sie?«
»Ja, ich denke schon. Meine besten Männer bilden sie aus. Vielleicht kommt etwas dabei heraus.«
Nachdenklich nickte Ronan und ließ seinen Blick über das Heer gleiten. Überall sah er ernste Mienen. Krieger verabschiedeten sich von ihren Familien, im vollen Wissen, dass es womöglich das letzte Mal war. Frauen weinten, Kinder kreischten, Männer versuchten vergebens, sich unbekümmerte Mienen aufzusetzen. Er beobachtete die Nahkämpfer,
seine
Nahkämpfer, Nachbarn und Bekannte aus Fischer- und Bauernsippen sowie fremde Gesichter aus den Fjorden, mit wettergegerbten Gesichtern und breitem Gang, die mit ihm durch die Hölle des Schildwalls gehen würden. Dann fiel sein Blick auf Seog, der auf seinem Pferd sitzend die ersten hundertfünfzig Mann davonführte. Das Gesicht des jungen Krieger-Druiden war ernst, doch er konnte die Freude nicht ganz verbergen. Dies war seine Chance, sich endlich zu beweisen … Die Gräuel des Krieges waren ihm noch fremd. Ronan seufzte. Etwas abseits hatten sich die Bogenschützen versammelt, alles Männer aus Handwerker- und Händlerfamilien, nun unter Briands Kommando, nachdem Nerin nicht mitkommen konnte. Neidvoll bemerkte er, dass die Stimmung unter ihnen weitaus besser war als bei den Nahkämpfern. Kein Wunder … Sie hatten dem Feind nicht Auge um Auge im Schildwall gegenüberzutreten …
»Bist du schon in Bergen gewesen?«, fragte er Derrien, um nicht wieder den alten Groll zu wecken, den er empfand, seitdem Nerin einmal behauptet hatte, die Fischer und Bauern wären entbehrlich.
»Ja. Aber ich habe noch keine wirklichen Neuigkeiten. In zwei Wochen treffe ich mich mit ihrem Anführer.«
»Zwei Wochen? Da sind ja
wir
schon beinahe in Bergen!«
»Vergiss es. Ihr braucht vier, und das ist das Minimum!«
Ronan brummte skeptisch, obwohl er eigentlich vermutete, dass sein Bruder recht hatte. »Schauen wir mal.« Er ließ seinen Blick zu Derriens Hüfte sinken. »Ich sehe, du hast
Waldsegen
verloren.«
Waldsegen
war Derriens Druidenschwert gewesen.
»Das bemerkst du erst jetzt?« Derriens Miene wurde grimmig. »
Verloren
ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Rushai, dieser Hurensohn, hat es mir abgenommen.«
»Ich weiß es schon länger. Ich habe nur noch keine Gelegenheit gehabt, mit dir darüber zu sprechen.« Damit griff Ronan zu seinem Waffengürtel und schnallte sein Schwert los.
»Was tust du?«, fragte sein Bruder überrascht.
»Nach was sieht es denn aus? Ich gebe dir
Wasserklinge
.«
Derrien schluckte, sagte jedoch nichts, bis Ronan ihm Gürtel samt Schwert und Scheide reichte. Erst dann meinte er: »Ich kann das nicht annehmen!«
»Nimm es! Ich habe lange darüber nachgedacht.«
»Aber … ich werde in der Außenwelt sein! Ich würde auffallen wie ein bunter Hund!«
»Eine ehrliche Frage: Wenn du den Ratten in der Stadt die Pforten abnimmst, glaubst du, dass du es da brauchen könntest?«
Sein Bruder sah zur Seite; seine Augen sprangen nervös hin und her. »Ja«, gab er schließlich zu, »in dieser Nacht könnte ich eine lange Klinge gut gebrauchen. Aber was ist mit dir? Du wirst auf einem Schlachtfeld stehen!«
»Auf dem Schlachtfeld werde ich
Wasserklinge
sowieso nicht anrühren. Cintorix wird von mir erwarten, dass ich Schildwälle und Plattenharnische zerschmettere!« Ronan klopfte gegen den Holm des Streithammers, der gegen seine Hüfte lehnte. »Falls mir ein Schatten in die Quere kommt, schlage ich ihm den Kopf ein. Dann reicht man mir
Steinbeißer
, um ihn zu töten.«
Sein Bruder zögerte noch immer.
»Jetzt hör auf, dich zu zieren!« Ronan grinste, schüttelte denGürtel vor Derriens Augen. »Nimm sie – ich brauche sie nicht! Wirklich!«
»Du weißt, dass ich das Angebot nicht ausschlagen kann!«
»Jetzt nimm schon!«
Derrien starrte ihm in die Augen. »Unter einer Bedingung!«
»So? Und die wäre?«
»Du nimmst sie nach dem Feldzug zurück! Versprich es mir!«
»Da gibt es nichts zu versprechen.« Ronan lachte. »Ich
schenke
sie dir nicht, ich
leihe
sie dir! Ich würde dir das Fell über die Ohren ziehen, wenn du sie mir nicht zurückgibst!«
»Das meine ich doch gar nicht, du Dummkopf! Du sollst versprechen, dass du dich da unten nicht umbringen lässt! Ich möchte nach dem Krieg noch einen Bruder
haben
, dem ich
Wasserklinge
zurückgeben kann!«
»Also gut, ich verspreche es! Aber du auch!«
»Ich auch! Bei Morrigan und
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