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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Feuer. Waren Sie schon einmal im Kosovo?«
    Veronika schüttelte den Kopf. »Ich war bisher bei der SFOR 2 .«
    »Dann können Sie sich aber auf was gefasst machen … Die da unten schießen scharf, sehr scharf sogar. Wir karren oft genug Leichen zurück nach Sarajevo und Verwundete sowieso. Das hier ist das reinste Pulverfass, dagegen wird Ihnen Bosnien vorkommen wie ein Kinderspielplatz!«
    Logisch,
dachte sie. An den Standorten der SF OR war es so ruhig und friedlich, dass man sich durch – wie war es in dem Schreiben formuliert gewesen? – »Hervorragende Führungsqualität und Übersicht bei Kampfhandlungen« eine Feldbeförderung verdienen konnte …
Blödmann!
    »Was ist eigentlich Ihre Aufgabe in Priština?«, fragte sie der Obergefreite. »Sind Sie Sanitäterin?«
    Das Missverständnis war verzeihlich. In Sarajevo hatte niemand ein Abzeichen ihrer neuen Einheit übrig gehabt, und ihr altes hatte sie in ihrem Rucksack verstaut, so dass man ihr im Moment nicht ansehen konnte, zu welcher Truppe sie gehörte. »Ich soll dort einen Zug des 373. übernehmen, dritte Kompanie. Die ist in Gnjilane stationiert – kennen Sie das?«
    »Bin schon mal dort gewesen«, erwiderte Müller. »Von einem Fluss zweigeteilte Stadt, Kosovo-Albaner und die UÇK 3 auf der einen Seite, Serben auf der anderen. Gibt immer wieder Schießereien dort. Aber sagen Sie mal – wie kommt es, dass Sie bei den Kampftruppen sind? Ich dachte, Frauen dürfen nur –«
    »– zu den Sanitätern und Musikern? Tja«, meinte Veronika schnippisch, »für mich haben sie eine Ausnahme gemacht, weil ich eine so heroische Kriegerin bin.« Sie wusste nur zu gut, wie sich das anhören musste. Veronika war gerade mal ein Meter sechzig groß, wog vierundfünfzig Kilo und hatte lange, goldblonde Locken. Die meisten, die versuchten, ihr Alter zu schätzen, hielten sie für siebzehn und verschätzten sich damit um acht Jahre. Ihr Ausspruch musste sich in Müllers Ohren unweigerlich ironisch anhören.
    Und das war genau das, was sie beabsichtigt hatte.
    Der Obergefreite warf ihr einen Seitenblick zu, der nur zu deutlich zeigte, was er davon hielt. Doch er fragte nicht weiter.
    Dabei hatte sie kein einziges Mal gelogen. Sie hatte zwar tatsächlich als Sanitäterin angefangen, damals, 1991, doch sie hatte es nur einer Ausnahmeregelung zu verdanken, dass sie nun Offizierin bei den Fallschirmjägern war. Sie hatte eine extrem steile Karriere hinter sich, besonders für eine Frau. Eine Karriere, die es vermutlich so kein zweites Mal bei der deutschen Armee gegeben hatte. Sie hatte zwei Feldbeförderungen erhalten, von denen sie die erste zum Unteroffizier und die zweite zum Offizier gemacht hatten. Beide Male waren »Hervorragende Führungsqualität und Übersicht bei Kampfhandlungen« als Gründe genannt worden.
    Dabei wäre ihre Dienstzeit beinahe vorbei gewesen. Zwei Monate noch in Sarajevo, dann hätte sie als Stabsunteroffizier aus der Bundeswehr ausscheiden können und für einige Jahre ein (zugegebenermaßen nicht besonders hohes) Übergangsgehalt bekommen.Sie hätte die Hölle des ehemaligen Jugoslawiens endlich hinter sich lassen können. Doch dann hatte man sie mit der zweiten Feldbeförderung gelockt. Eine Beförderung in die Offizierslaufbahn! Wie hätte sie da ablehnen können? Sie, die eine ziemlich bescheidene Mittlere Reife erreicht hatte und nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit laut damaligem Eignungstest der Bundeswehr für eine Unteroffizierskarriere nicht geeignet war, nun ein Offizier! Abzulehnen wäre verrückt gewesen.
    Natürlich hatte man ihr die schlechten Nachrichten erst aufgetischt, nachdem sie unterschrieben hatte. Dass sie von ihrer bisherigen Gruppe getrennt werden würde, war ihr schon vorher klar gewesen, nach einer Feldbeförderung war das normal; doch dass ihre neue Einheit schon seit einem Monat auf einen neuen Leutnant
wartete,
kam als ein Schock. Normalerweise schlossen sich an die Beförderung Offizierslehrgänge mit theoretischem Unterricht und Gefechtsübungen an. »Aber wir brauchen Sie, Veronika!«, hatte der Major gesagt, »Ihre Truppe braucht Sie, und zwar so schnell wie möglich!« Ha, und da saß sie nun, drei Tage nach ihrer Beförderung, um einen ganzen Zug zu übernehmen.
    »Einen Zug von der dritten Kompanie haben Sie gesagt?«, meinte Müller plötzlich und schreckte sie aus ihren Gedanken auf. »Den zwoten vielleicht?«
    »Ja, richtig. Und?«
    »Von dem Zug haben sie den Zugführer vor zwei Monaten erschossen. Und

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