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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Irgendwann wird die Regierung nicht mehr vertuschen können, wie viele Leute hier tatsächlich umkommen! Und dann wird sich jemand fragen, ob es noch Sinn hat, diesen Einsatz hier fortzuführen …«
    »Meinetwegen könnte das lieber heute als morgen sein. Die Auslandszulage ist das Risiko auf keinen Fall wert!«
    Eine Gruppe alter Frauen in schmutziger Kleidung stand an einem Brunnen am Dorfplatz. Sie hatten ihr Gespräch unterbrochen und starrten zu der Bundeswehrkolonne. Veronika fragte sich, was sich unter ihren Kopftüchern verbarg. Hass? Hoffnung? Gleichgültigkeit?
    Das Tal, dem sie bisher gefolgt waren, weitete sich aus. »Wir sind gleich da, Frau Leutnant«, kündigte Müller an.
    »Danke.«
    Sie durchquerten zwei weitere heruntergekommene Städtchen. Dann erkannte sie vor sich die Silhouette einer wuchernden, grauen Großstadt vor der Kulisse eines schwarzen Gebirgszuges. Zahllose Industrieschornsteine reckten sich in den Himmel, doch von nur wenigen stieg tatsächlich Rauch auf. Umso deutlicher war die dicke, fettig-schwarze Rauchfahne, die über dem östlichen Bezirk der Stadt hing.
    Prištinas Außenbezirke bestanden aus heruntergekommenen, teilweise schon verfallenen Gebäuden. Der Gegend war es wohl noch nie besonders gut gegangen, und der Krieg hatte sein Übriges dazugetan. Doch im Gegensatz zu den meisten mehr oder weniger ausgestorbenen Dörfern gab es hier Menschen. Kinder und Alte hielten mit ihrer Beschäftigung inne, als die Militärkolonne vorüberfuhr, und sahen ihnen nach. Wäscheleinen spannten sich über die Straßen, an manchen Fenstern hingen Blumenkästen. Je tiefer sie in die Stadt fuhren, desto größer wurden die Gebäude. Trostlosigkeit und Heruntergekommenheit blieben jedoch. Auchhier waren immer wieder Gefechtsspuren zu sehen, wenn auch nicht so viele wie in den Dörfern davor. Schließlich konnten sie auch erkennen, von wo die Rauchwolke aufstieg. Es waren die Überreste eines Treibstofflagers. Veronika sah ein Blechschild mit dem KFOR-Logo im Dreck liegen, die Stacheldrahtzäune sowie die verlassenen Sandsackverschläge ließen ebenfalls auf eine militärische Einrichtung schließen. Müller fluchte obszön, und Veronika fragte sich, ob das Benzin noch ausreichen würde, um den Konvoi zurück nach Belgrad zu bringen.
    Der LKW bog kurz darauf in den Innenhof einer großen Kasernenanlage ein. Mehrere Lagerhallen schlossen sich auf der linken Seite an, am Kopfende des Platzes stand ein mehrstöckiges Gebäude. Unter der blauen Fahne der UN hing die Deutschlandflagge schlaff am Fahnenmast. Neben den hohen Eingangstüren in das Hauptgebäude war das Abzeichen des Bataillons aufgestellt – ein in vier Abschnitte aufgeteiltes Wappen, rechts oben ein Adler, links unten ein Fallschirm, in den anderen Segmenten jeweils Querstreifen. Veronika gefiel ihr neues Abzeichen von Anfang an nicht.
    Die Fahrzeuge reihten sich vor den Lagerhallen auf. Soldaten sprangen aus den LKWs und Schützenpanzern und begannen damit, Kisten und Säcke zu entladen. Veronika verabschiedete sich kurz von dem Obergefreiten und hievte ihren Rucksack von der Ladefläche des LKW. Sie setzte das rote Barett auf und stapfte in Richtung des Hauptgebäudes.
    »Leutnant Wagner? Kennt hier jemand einen Leutnant Wagner?«, hörte sie eine Männerstimme. Sie wandte den Kopf und erblickte einen Stabsfeldwebel, der sich mit fragender Miene umsah. Das weißgelbe Abzeichen an seiner Schulter entsprach dem Wappen vor dem Gebäude und zeichnete ihn als Fallschirmjäger ihrer Kompanie aus. Der Grenadier, mit dem er sprach, zeigte die Reihe der Fahrzeuge entlang grob in ihre Richtung. Der Stabsfeldwebel nickte und lief weiter. Veronika ließ den Rucksack zu Boden sinken und wartete, bis der Mann heran war.
    Auf sein erneutes Rufen antwortete sie: »Das werde dann wohl ich sein.«
    Sie war gespannt auf die Reaktion des Mannes. Sie war es gewohnt, dass die meisten Soldaten auf ihre …
unkriegerische
Erscheinung mit Spott und Verachtung reagierten. Sie kannte Soldaten – Offiziere, Gruppenführer –, die allein durch ihre Erscheinung und durch ihr Auftreten Kompetenz und Autorität ausstrahlten. Veronika dagegen war es von ihrer Zeit als Gruppenführerin gewohnt, sich jeden Funken Respekt hart erarbeiten zu müssen. Sie glaubte kaum, dass sich das als Offizierin ändern würde.
    Der Feldwebel blieb verdutzt stehen. Für einen kurzen Moment sah sie an seinem Gesicht, wie er mit sich haderte. Doch er überwand den Zwiespalt

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