Schattenkrieg
überraschend schnell und salutierte. »Stabsfeldwebel Bauer, dritte Kompanie, 373. Fallschirmjäger-Bataillon!«
Veronika salutierte ebenfalls. Dann nahm sie die Hand von der Stirn und reichte sie ihm. »Leutnant Veronika Wagner.«
»Ich soll Sie hier abholen«, meinte Bauer, während sie sich die Hände schüttelten. »Ist das Ihr ganzes Gepäck?«
»Ja, das ist alles.«
»Gut.« Er griff nach dem Rucksack und schwang ihn sich auf den Rücken, während sie die Fahrzeugreihe entlanggingen. Bauer war ungefähr zwanzig Jahre älter und knapp zwei Köpfe größer als sie. Falls ihn etwas an ihr störte – Geschlecht, Aussehen, die Tatsache, dass sie
die Neue
war –, so ließ er es nicht erkennen.
»Ich bin mit drei Mann hier, um Proviant und Munition abzuholen«, fuhr Bauer fort. »Das Material ist verladen, wir können also sofort losfahren. Oder müssen Sie sich noch beim Bataillonschef anmelden?«
»Nicht nötig. Die Umgebung hier ist tagsüber schon gefährlich genug, habe ich mir sagen lassen, also schauen wir, dass wir weiterkommen. Außerdem freue ich mich auf ein Bett …« Veronika fühlte sich hundemüde. In dem LKW hatte sie nicht schlafen können – wohl wegen der Kälte oder der Schlaglöcher oder vielleicht auch wegen des Miefs. Nun aber trieb sie der Gedanke an einewarme Dusche und ein sauberes Bett voran. Für einen Moment fragte sie sich, ob sie sich nicht doch beim Bataillonskommandanten vorstellen sollte; ihr Marschbefehl schrieb aber vor, sich direkt bei ihrem neuen Kompanieführer, einem Hauptmann Hagen, zu melden, und so verzichtete sie darauf. Sie fühlte sich im Umgang mit Offizieren nicht mehr sicher, seitdem sie selbst einer war.
Etwas abseits der neu angekommenen Fahrzeuge standen ein Dingo 4 und ein Wolf 5 vor einem weiteren Lagerhaus. Veronika folgte Bauer durch einen Seiteneingang in das Gebäude. In einem kleinen, völlig überhitzten Raum saßen drei Fallschirmjäger und spielten Skat.
»Ach-tung!«, rief Bauer leise. »Frau Leutnant Wagner.«
Die Soldaten sprangen auf und bauten Männchen. Selbstverständlich waren alle drei größer als sie. Im Gegensatz zu Bauer gelang es ihnen kaum, ihre Überraschung und ihr Amüsement über die zu kurz geratene Offizierin zu verbergen.
»Los, packen Sie Ihre Sachen zusammen!«, ordnete sie an, dabei die nicht unbedingt respektvollen Blicke der Männer ignorierend. »Wir wollen zu Hause sein, bevor es dunkel wird.«
Kurz darauf saß sie neben Bauer auf dem Beifahrersitz des Wolfs. Die drei Soldaten waren in den Dingo gestiegen und folgten dichtauf.
»Warum sind Sie nicht mit
zwei
Dingos gekommen?«, fragte Veronika, die sich in dem ungepanzerten Geländefahrzeug etwas nackt vorkam.
»Die anderen sind auf Patrouille oder in der Werkstadt. Wir haben viel zu wenige Fahrzeuge.«
»Wie lange reicht uns noch das Benzin?«
»Sie haben von unserem Depot gehört?«
»War ja kaum zu übersehen.«
»Na ja«, zögerte Bauer und zupfte an seinem Schnurrbart, bevor er weitersprach: »Wir kommen mit dem, was uns die Konvois bringen, gerade so über die Runden. Sobald der Konvoi einmal nicht durchkommt, werden wir wohl laufen müssen.«
»Prima! Dann gibt es ja etwas, worauf man sich so richtig freuen kann.«
Der Stabsfeldwebel verzichtete auf eine Antwort.
Inzwischen hatten sie Priština verlassen. Bauer schwieg, während er sich darauf konzentrierte, den Wolf einige steinige Serpentinen entlang auf einen Hügelkamm zu lenken. Dahinter erstreckte sich ein weiteres Tal. An den Berghängen wurden verbrannte Baumstämme erst langsam wieder von Vegetation überwuchert.
»Vor drei Jahren ist hier der gesamte Waldbestand abgebrannt. Angeblich hat von hier aus die UÇK mit Artillerie auf Priština geschossen.«
»Und das haben sich die Serben wohl nicht gefallen lassen. Gibt es hier noch andere Gruppierungen außer Kosovo-Albanern und Serben?«
Eine kurze Pause entstand. Dann antwortete Bauer: »Die Einheimischen sagen, es gibt hier
drei
Parteien: Serben, Albaner und KFOR.« Nach einer weiteren Pause setzte er hinzu: »Und jeder kämpft gegen jeden.«
»Wie kommen die eigentlich auf diese tolle Idee, dass wir gegen sie
kämpfen
wollen?«
»Vor einem knappen Jahr gab es ein ziemliches Gemetzel in einem Dorf südöstlich von Gnjilane. Ein Zug Panzergrenadiere hat ziemlich aufgeräumt. Laut Bericht des Zugführers hätten die Albaner zuerst geschossen.«
Veronika zog die Mundwinkel nach unten. Konnte das wahr sein? Panzergrenadiere, die ein Dorf
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