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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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ich unser Gespräch filme?«
    »Von mir aus. Solange das nur für dich ist.«
    Lena überlegte, wie sie beginnen sollte. »Fangen wir mit dem Anfang an. Wie haben Sie Ulrike kennengelernt und was für ein Mensch war sie?«
    »Eine schlechte Schülerin, jedenfalls.« Bei diesen Worten lächelte Clara und Lena war sich nicht sicher, ob es ein nettes oder ein gemeines Lächeln war. »Sie ist sitzen geblieben, musste die Zehnte wiederholen und kam so zu mir in die Klasse. Mit zielsicherem Blick hat sie gleich mich als neue Freundin ausgesucht.«
    »Wie? Ausgesucht?« Lena zoomte Claras Gesicht näher heran. Die Haut glänzte.
    »Sie war berechnend. Ich auch. Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, ein uraltes Spiel. Du willst mir doch wohl nicht weismachen, dass du es nicht kennst.«
    Lena stand völlig auf der Leitung. Was meinte Clara Dahm?
    »Sie war die Schöne, die Strahlende, die Begehrenswerte. Ich war der plumpe Tollpatsch, der gemieden wurde. Sie nahm mich mit auf Partys und ins Kino und sogar in die Disco, denn meine Hässlichkeit betonte ihre Schönheit, meine Unbeholfenheit ihren Esprit. Ich war ihr Kontrast, der sie erst richtig zum Leuchten brachte, und zum Dank fielen ein paar Brosamen für mich ab.«
    Lena war verblüfft. »Ich dachte, Sie und Ulrike waren Freundinnen.« Wenn sie allerdings an Jessica und Pat aus ihrer Klasse dachte, verstand sie genau, was Clara meinte.
    Ein warmes Leuchten erschien auf Claras Gesicht. »Das waren wir auch. Ich habe sie sehr gemocht und war ihr dankbar, dass sie mich aus meiner Isolation geholt hat. Und für Ulrike wurde ich zur Vertrauten. Mir konnte sie alles erzählen.«
    »Dann wissen Sie auch von ­Mike?«
    Das Lächeln verschwand. Mit einer fahrigen Geste strich Clara sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »­Mike. Ihre große Liebe. Natürlich weiß ich von ihm. Alle Jungs waren hinter Ulrike her. Nur einer nicht: ­Mike. Klar, dass sie ihn unbedingt haben musste. Er besaß die Unverfrorenheit, ihr die kalte Schulter zu zeigen, und das, nachdem er mit ihr einmal vorm Moonlight rumgeknutscht hatte.«
    »Dann war er gar nicht Ulrikes Freund?«
    Clara lachte tief und dröhnend. »Ulrike wäre nicht Ulrike gewesen … Natürlich hat sie sich ­Mike geangelt. Koste es, was es wolle. Sie hat einen Jungen aus ihrem Fanklub benutzt, um ­Mikes Aufmerksamkeit wiederzugewinnen. Der Arme hat mir damals ziemlich leidgetan. Er dachte, endlich erhört sie ihn, und dann … Es war ziemlich obs­zön, wie sie mit ihm getanzt hat. Da passte kein Windhauch zwischen die Körper und dann die Knutscherei auf der Tanzfläche … Klar hat ­Mike das angemacht. Noch am selben Abend hat er sie abgeschleppt und keine zwei Wochen später haben sie miteinander geschlafen und Ulrike war glücklich wie nie.« Clara machte eine Pause. Sie schien nachzudenken. Dann fuhr sie entschlossen fort. »Das war übrigens auch der Grund, weshalb ich nie so recht geglaubt habe, dass Ulrike davongelaufen ist. Sie hätte ­Mike nicht allein gelassen.«
    Offenbar wusste Clara nicht alles. »­Mike hat Schluss gemacht. Er hatte eine andere.«
    Clara schnaubte. »Das höre ich zum ersten Mal.«
    »Am Tag des großen Krachs, als der blaue Brief kam, hat er es ihr gesagt. In der darauffolgenden Nacht hat Ulrike ihre Sachen gepackt. Hat Steffi das nicht erzählt?«
    »Vom Krach schon, aber dass ­Mike Schluss gemacht hat … davon kein Wort.«
    Wenn Steffi es nicht wusste, woher dann Tante Marie? Hatte Ulrike sich ihr anvertraut und sonst niemandem? Sah ganz danach aus.
    »Ja, dann … das erklärt einiges.« Clara blickte nachdenklich aus dem Fenster. »Aber es erklärt nicht, weshalb Ulrike sich nie bei mir gemeldet hat.«
    Na ja, dachte Lena. So eng scheint ihr ja nicht befreundet gewesen zu sein. Ein paar Monate in derselben Klasse. Ulrike eine halbe Stunde Busfahrt von der Schule weg in Altenbrunn und Clara in Bad Tölz. Außerhalb der Schulzeit konnten sie sich nur wenig gesehen haben.
    »Wissen Sie, wie ­Mike mit Nachnamen heißt und wo ich ihn finden kann.«
    Ein bedauerndes Kopfschütteln folgte. »Er hieß ­Mike, studierte in München und war der Sohn reicher Eltern. Mehr weiß ich nicht. Obwohl … ich glaube, Ulrike kannte ihn schon, bevor er das erste Mal im Moonlight auftauchte. Auf unsere Schule ging er jedenfalls nicht.«
    »Und der Junge, mit dem sie so obszön getanzt hat?«
    »Keine Ahnung. Er hatte einen Spitznamen.« Nachdenklich neigte Clara den Kopf. »Jetzt fällt er mir nicht ein.

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