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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Kleidung oder wenn er mal Bus fahren muss?« Die Vorstellung, sich dem ganzen Konsumdruck entziehen zu können und damit auch dem Zwang, Geld zu verdienen, hatte was, da musste Lena Rebecca wohl oder übel recht geben.
    In der folgenden Viertelstunde erfuhr sie, dass Odakota das Dorf spaltete. Er hatte eine geringe Zahl von Unterstützern und jede Menge Gegner, die sich über seinen Lebensstil aufregten. Der Mehrheit war er egal. Sie hatten sich an ihn gewöhnt.
    Manche stellten abgetragene Kleidungsstücke, ausrangierten Hausrat, alte Zeitschriften und Bücher vor die Tür und Odakota holte sich, was er brauchte. Andere riefen die Polizei, wenn er aus den Altkleidersäcken, die zweimal jährlich eingesammelt wurden, ein T-Shirt zog oder aus den Mülltonnen Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum. Er wohnte in einer Hütte am Waldrand, die seinen Großeltern gehört hatte, und fuhr per Anhalter, wenn die Strecke zu Fuß nicht zu schaffen war. Der Arzt im Nachbardorf behandelte ihn umsonst, während der ortsansässige einen großen Bogen um ihn machte. Von seinen Eltern erhielt Odakota Brot und Gebäck, nahm aber nur das, was sonst weggeworfen worden wäre.
    Einigen war er unheimlich. Von ihnen wurde er als Dieb verdächtigt, wenn etwas verschwand. Sie schürten die Gerüchte, die regelmäßig hochkochten, sein Lebenswandel sei Buße für eine schlimme Tat vor langer Zeit. Andere hingegen bewunderten ihn wegen seiner konsequenten Konsumkritik. Seit zwanzig Jahren hatte Oliver Aigner kein Geld in der Hand gehabt, mehr als sein halbes Leben. Auch Lena fand das beeindruckend. »Über den einen Film zu machen, das wär’s«, sagte sie mehr zu sich als zu den anderen.
    »Du drehst Filme?« Daniel löffelte den Milchschaum vom Kaffee.
    »Nur so kleine Dokumentationen und nur für mich. Momentan versuche ich mich an einem Film über meine Tante Ulrike. Das hast du ja neulich mitbekommen.«
    Rebecca blickte interessiert auf. »Was ist an deiner Tante so besonders?«
    Lena erklärte es.
    Als die Kaffeebecher geleert waren, sah Rebecca auf die Uhr und verdrehte die Augen. »Ich muss los. Zahnarzttermin.« Mit einem Bussi auf die Wange verabschiedete sie sich von Florian.
    Etliche der Schmetterlinge in Lenas Bauch hauchten ihr Leben aus. Gut, fing er endlich an, das Thema Florian realistisch zu bewerten.
    Inzwischen hatte es zu regnen begonnen. Was tun mit dem angebrochenen Nachmittag? Florian schlug vor, DVDs zu gucken. Zu ihm nach Hause konnten sie allerdings nicht gehen. Er hatte Zoff mit seiner Oma. Lena war neugierig und fragte nach dem Grund.
    »Eigentlich wegen nichts. Sie kann mich einfach nicht leiden. Genauso wenig wie meine Mutter. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte mein Vater meine Mutter damals sitzen gelassen, als sie schwanger war. Hat er aber nicht und so hat die Tochter des Gemeindearbeiters bei den reichen Leitners eingeheiratet.«
    Glückliche Familien gab es offensichtlich nur in superkitschigen Hollywoodfilmen. »Wir können zu mir gehen«, schlug Lena vor. »Meine Oma hat einen DVD-Player. Und einen Film besorgen wir uns in der Videothek.«
    Zwanzig Minuten später betrat Lena mit Florian, Daniel, zwei Tüten Chips, einer Flasche Cola und Fluch der Karibik im Gepäck Omas Haus.
    Sie machten es sich im Wohnzimmer auf der Couch gemütlich. Daniel legte den Film in den Player, während Florian sich eine der Postkarten ansah, die noch immer auf dem Couchtisch lagen. »London, August 2006. Witzig, ich war zur selben Zeit dort wie deine Tante. Vielleicht saßen wir uns in der U-Bahn gegenüber, ohne voneinander zu wissen.«
    Etwas kratzte an der Terrassentür. Becky stand draußen im Regen und maunzte kläglich. Lena ließ sie herein und gab ihr ein Schälchen Milch. Morgen musste sie unbedingt Katzenfutter kaufen. Nachdem Becky die Milch geschleckt hatte, sprang sie zu Lena, Florian und Daniel aufs Sofa, rollte sich zusammen und schnurrte kurz darauf so laut, dass Daniel den Ton lauter stellen musste.

10
    Nach dem Frühstück am nächsten Morgen rief Lena Tom an. Sie wusste, dass er heute eins der beiden Vorstellungsgespräche hatte, und wünschte ihm viel Glück. Anschließend reichte sie ihr Handy an Steffi weiter. Ihre Mutter klang wenig enthusiastisch, als auch sie Tom Erfolg wünschte. Wieder – oder immer noch – schien sie mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. Hoffentlich nicht bei Sternberg. Wenigstens war Steffi gestern Abend nicht mit ihm unterwegs gewesen, sondern hatte

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