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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Liew
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– diese Formel gilt in Japan für rund eintausend ältere Häftlinge, die aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu versorgen. Das Gefängnis von Onomichi hat sich ganz auf die Unterbringung hoch betagter Sträflinge spezialisiert, drei weitere Anstalten unterhalten Seniorenabteilungen. Dort haben die Beamten Erfahrung in Altenpflege. An den Türen kleben Diätanweisungen und die Medikation der Zellenbewohner. Teilen sich auch bis zu sechs Mann einen Raum, ist der Tagesablauf strikt reglementiert und angefüllt mit monotonen Aufgaben, fühlen sich viele Alte hier sicher. „Ist alles besser als das Leben auf der Straße. Hier gibt es immer was zu essen und baden darf ich auch“, berichtet der 73-jährige Herr Ida und schaut dabei recht zufrieden drein.
    Andere Rentner wollen ganz woanders hin. Ihnen kann es gar nicht weit genug weg sein, wie viele deutsche Pensionäre sind sie scharf auf einen Lebensabend unter Palmen. Der asiatische Markt reagiert auf das Fernweh der Senioren mit kräftiger Unterstützung seiner Regierungen. Thailand, Vietnam und Malaysia erlauben ausländischen Ruheständlern unter vereinfachtem bürokratischem Aufwand einen zweiten Wohnsitz. Thailand möchte weg von seinem Image als Paradies für gestrandete Existenzen und bietet besondere Aufenthaltsgenehmigungen für Ehepaare über 50 an. Auch die Regierung von Malaysia umwirbt die rüstigen und vor allem zahlungskräftigen Rentner aus dem Ausland: Mit der Kampagne „My Second Home Malaysia“ erlaubt sie Ausländern den Erwerb von bis zu zwei Häusern und ein zehnjähriges Aufenthaltsrecht. Einzige Vorraussetzung ist ein gut gefülltes Sparbuch, dann steht dem Leben in der Sonne nichts mehr im Weg. Malaysias medizinische Versorgung ist zudem günstig und gut, die Lebenshaltungskosten liegen weit unter europäischem oder japanischem Durchschnitt. Seit Neuestem befindet sich auch Vietnam auf dem Markt der Anbieter für Zweitwohnsitze. Im Preis unschlagbar, mit einer geringen Kriminalitätsrate und sehr freundlichen Menschen hinkt es alleine auf dem Gebiet der Senioren-Unterhaltung ein wenig hinterher.
    Die Alten meines Stadtviertels sind in ihren Ansprüchen wesentlich genügsamer. Palmen und Sandstrand brauchen sie nicht, ihnen genügen der Gateball-Platz, das Gemeindezentrum und der gelegentliche Busausflug zu einem Ort mit heißen Quellen. Und sie haben Verständnis für mich. Nach einem netten Gespräch mit dem Nachbarschaftskomitee haben sie ihre Spielzeiten geändert, der Tag beginnt für mich nun erst um sechs mit Klackgeräuschen und Gelächter.
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    1 Eine Art Crocket, gilt in Japan als die ideale Sportart für Senioren.

Und ewig rattern die Kugeln
    „Nein, das kannst du vergessen. Da gehe ich nicht mit dir hin.“ Brüsk schiebt Emi, meine sonst so sanfte Freundin aus Uni-Tagen, ihren Kaffee von sich weg. „Wenn du unbedingt in eine Pachinko-Halle willst, dann bitte ohne mich!“
    Trotzig schaut sie mich über den kleinen Tisch im Café an. Ihre ungewohnt heftige Reaktion macht mich sprachlos. Ich hatte doch nur ganz beiläufig vorgeschlagen, später mal in einer Spielhalle vorbeizuschauen und so einen Pachinko-Automaten auszuprobieren. Das hatte ich nämlich noch nie gemacht. Zu zweit wäre das doch sicherlich lustig, hatte ich noch hinzugefügt. Nun schweigen wir beide erst einmal. Ich wühle verlegen in meiner Tasche auf der hektischen Suche nach einem neuen, möglichst neutralen Gesprächsthema. Bis Emi mich schließlich erlöst: „Es tut mir leid, Christine-san“, als korrekte Japanerin entschuldigt sie sich erst einmal, „ich kann das einfach nicht. Es ist wegen meines Vaters.“
    Zögernd beginnt sie zu erzählen. An diesem sonnigen Morgen erlaubt mir Emi einen Blick hinter die Fassade ihrer Familie, einer ganz gewöhnlichen japanischen Familie übrigens. Mit Vater, Mutter und zwei Kindern – und halt Vaters großer Leidenschaft, dem Pachinko-Spiel.
    „An manchen Tagen kann mein Vater einfach nicht widerstehen. Wenn es ihn überkommt, muss er spielen. Er macht erst Schluss, wenn die Taschen leer sind. Aber das kann dauern, denn die Automaten spucken regelmäßig ein paar Kugeln zum Weiter-daddeln aus.“
    Pachinko ist eine Art japanisches Flippern. Offiziell gewinnt man nur harmlose Kugeln, inoffiziell geht es, wie immer beim Glückspiel, um Geld. Auch wenn das in Japan verboten ist.
    „Als ich ein Kind war, spielte Vater regelmäßig nach Feierabend. Die

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