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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Liew
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Südeuropa ab: „Wo haben Sie denn Ihre Kinder her? Unsere Tochter hat die Kinder aus Vietnam!“ „Was denken Sie denn?“, empörte sich meine Mutter sofort. Auf ihre Enkelkinder lässt sie nämlich nichts kommen. „Die Kinder gehören zu uns, seitdem sie nicht größer als eine Erbse waren. So was können wir noch ganz gut alleine!“ Zufrieden schaute sie der armen Frau beim Rückzug zu. Ihre Berliner Schnauze hatte mal wieder unsere internationale Familienehre gerettet.
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    1 Sensei ersetzt die Anrede -san bei Lehrern und Ärzten; es kann als Anrede allein stehen oder als Anhang am Namen verwendet werden.

Knast goes Geriatrie
    Klack, klack, klack. Pause. Und wieder: klack. Entnervt wälze ich mich im Bett und verfluche den japanischen Sommer. Warum müssen die Alten unseres Stadtviertels schon um fünf Uhr morgens Gateball 1 spielen? Um sieben ziehen sie alle fröhlich davon, die Sonne brennt schon kräftig vom Himmel und den Herrschaften wird es für sportliche Aktivitäten zu heiß. Genervt sehe ich einem neuen Tag entgegen, die Senioren stehen schon mitten drin.
    Japans Silver Citizens, wie man hier höflich die Grauschöpfe nennt, nehmen einen stetig wachsenden Anteil der Bevölkerung ein. Die 20-Prozent-Marke haben sie schon überschritten, laut Prognosen werden 2055 über 40 Prozent der Japaner ihren 65. Geburtstag hinter sich haben. Damit ist man natürlich nicht schlagartig alt, dieses Gefühl beschleicht das Gros erst weit jenseits der 70. Japan ist nicht umsonst das Land der Hundertjährigen. Und so reisen die rüstigen Herrschaften nicht nur rund um den Globus, sondern sind auch daheim rund um die Uhr beschäftigt. Neben Haushalt und Schrebergarten helfen sie oftmals noch in kleinen Betrieben aus oder unterstützen das Familiengeschäft. Andere bringen sich in gemeinnützige Projekte ein, stehen ehrenamtlich Kindergärten und Krankenhäusern zur Verfügung. Und sie lernen fleißig, sei es eine neue Sprache oder ein Musikinstrument. „Schauen Sie mich an“, sagt die 83-jährige Frau Uno, „manchmal wollen meine Beine nicht mehr so richtig. Aber hier oben“, dabei tippt sie auf ihren Kopf, „bin ich noch voll da!“ Frau Uno liebt das Reisen, sie war schon in vielen Ländern und genießt es sichtlich, an mir ein paar Brocken Englisch auszuprobieren. Einmal in der Woche geht sie ins Gemeindezentrum zur Konversationsstunde. Eine Dame der Nachbarschaft war früher Englischlehrerin, nun drillt sie die Älteren sanft in korrekter Aussprache. Die emsige Frau Uno ist kein Einzelfall, das Erweitern des Horizontes gilt allen Altersstufen als sinnvolle und durchaus angenehme Beschäftigung. Wer nicht gerade einen Kurs belegt, bringt anderen etwas bei. Frau Uno lehrt als Veteranin der örtlichen Hausfrauenvereinigung jungen Ehefrauen das Führen eines Haushaltbuches. „Ich rechne immer genau nach, wenn sie mir ihre Bücher zur Prüfung vorlegen. Bisher ist mir noch nichts entgangen. Ich finde immer die Posten, wo die jungen Dinger zu viel Geld ausgeben!“ Sie lacht. Ich will wissen, ob sie auch Gateball spielt. Was für eine Frage! Alle älteren Herrschaften, die nicht den Anschluss in der Nachbarschaft verlieren wollen, spielen regelmäßig mit. „Wenn ich morgens aufwache, weiß ich, dass die anderen mich später erwarten. Das gibt mir Schwung für den neuen Tag. Ich bewege mich an der frischen Luft, und wir haben alle unseren Spaß. Bewegung ist wichtig für uns Alte!“.
    Doch noch mehr als körperlichen Verfall fürchten Frau Uno und ihre Altersgenossen Boke. Boke umfasst so ziemlich alles zwischen schusseliger Vergesslichkeit bis hin zur schweren Demenz. Und so kämpfen sie unermüdlich mit neuen Herausforderungen dagegen an. Manche lernen wie Frau Uno Englisch, andere Senioren hegen den Ehrgeiz, perfekt in Kalligraphie zu werden. Natürlich rätseln und knobeln sie auch gerne mal, Japan ist bekanntlich das Mutterland des Rätselphänomens Sudoku.
    „Menschen, die lange leben, haben eins gemeinsam: Sie sind nicht übergewichtig“, sagt Dr. Hinohara, selbst 98 Jahre alt und in Japan schlichtweg die Koryphäe für Altersfragen. „Essen Sie nur so viel, dass Ihr Magen 80 Prozent ausgelastet ist. Ich trinke morgens Kaffee und Saft, esse eine Kleinigkeit zu Mittag und abends Gemüse mit Fisch oder Fleisch.“ Für ein langes Leben sollen Senioren es so halten wie Kinder und sich nicht um Regeln wie festgesetzte Schlafenszeiten oder Mahlzeiten kümmern. Und: „Wenn wir Freude haben, dann

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