Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
versetze den Spieler in Trance, es leere den Geist, mache ihn frei von allen Gedanken und verschaffe der Seele Erleichterung. Und nicht nur der, es erleichtert auch gehörig die Geldbörse. Denn natürlich geht es bei Pachinko um Geld, auch wenn die meisten Spieler das bestreiten. Im Durchschnitt verspielen die Spieler zwischen 12 000 und 50 000 Yen (100 bis 400 Euro) am Tag. So hat sich ein üppiger Wirtschaftszweig rund ums japanische Flippern gewunden. Allein 17 Special-Interest-Magazine kennen nur ein Thema: Pachinko. Die besten Anzeigenkunden dieser Magazine sind, ganz zielgruppenorientiert, undurchsichtige Kreditinstitute. Denn Pleite durch Pachinko, das ist nichts Ungewöhnliches mehr.
Wohin die immensen Gelder tatsächlich fließen, das interessiert kaum einen japanischen Pachinko-Spieler. Der lässt sich gewöhnlich von der sauberen Fassade der Hallen blenden und denkt nicht im Traum daran, dass ein Großteil seiner persönlichen Verluste Japans größte militärische Bedrohung, Nachbarland Nordkorea, am Laufen hält. Seit der Nachkriegszeit werden rund 90 Prozent aller japanischen Pachinko-Salons von Koreanern betrieben. Als ehemalige Zwangsarbeiter – Japan hielt die koreanische Halbinsel von 1910 bis 1945 besetzt – strandeten viele von ihnen in der Nachkriegszeit ohne Familienrückhalt in Japan. Der Koreakrieg und die Teilung ihrer Heimat verbauten ihnen die Rückkehr, die schlechte Wirtschaftslage der Nachkriegszeit und die anhaltende Diskriminierung bei der Arbeitssuche zwangen sie geradezu in die Grauzone der Spielhallen. Dort konnten sie wenigstens beträchtlich Geld verdienen. Als gute Patrioten investieren die Koreaner weiterhin gerne in der alten Heimat.
Und die liegt nicht immer im Süden der Halbinsel, und so gehen ihre Gelder auch in den verfemten Norden. Man vermutet, dass jährlich über 500 Millionen Dollar aus dem Pachinko-Geschäft illegal nach Nordkorea eingeschleust werden. Das sieht die japanische Regierung mit großer Sorge. Trotzdem scheut Japan offene Worte oder gar legale Schritte gegen die Pachinko-Bosse. Unbedingt soll der Eindruck vermieden werden, man gehe gegen die koreanische Minderheit im eigenen Land vor. Und, ganz ehrlich, Pachinko bringt Japan selbst ebenso ordentlich Geld ein. Gegenwärtig gibt es über 13 000 Salons, die umgerechnet rund 250 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen und damit fast die Hälfte der Freizeitindustrie unter sich haben. Der Umsatz liegt damit weit über dem der japanischen Autoindustrie und das war schon so, als die noch nicht schwächelte. Das erklärt einmal mehr die Unlust der Politiker für radikale Entscheidungen. Hinzu kommt die befremdliche Praxis, Angehörige des Unter- und Oberhauses als Berater diverser Pachinko-Firmen üppig zu entlohnen. Und wer beißt schon gerne die Hand, die ihm hin und wieder eine Extrawurst zusteckt?
Pachinko ruiniert indirekt nicht nur die Stabilität in der asiatisch-pazifischen Region, es ruiniert auch immer mehr japanische Familien. Das betrifft längst nicht allein die Generation von Emis Vater, die das Problem einer Abhängigkeit gern verdrängt und einfach wie gewohnt weitermacht. Für so manche junge Mutter oder Vater ist das Klackern der Kugeln so fesselnd, dass sie darüber ihre Kinder schlichtweg vergessen, und das hat nicht selten katastrophale Folgen. Jedes Jahr sterben eine Reihe wartender Kleinkinder auf Japans Pachinko-Parkplätzen in verriegelten Autos an Überhitzung. Immerhin dürfen Passanten mittlerweile ungestraft Autoscheiben einschlagen, denn dieser Umstand fällt nun unter Kindesmisshandlung. Früher musste man eine Anzeige wegen Sachbeschädigung fürchten, wenn man die Kleinen beherzt retten wollte. Auch die Hallen selbst sorgen mit Hilfe von Parkwächtern für ein bisschen mehr Achtsamkeit. Einige Betreiber bieten seit Kurzem Babysitter und Spielecken an, denn Frauen sind begehrte Kunden. Aus der Sicht der Salons ist das sicherlich der richtige Weg, doch aus der Sicht der Gesellschaft darf der Einstieg in eine Spielerkarriere durch kostenlosen Zusatzservice nicht noch vereinfacht werden. In Emis Fall sorgte die Mutter für ein geregeltes Leben der Kinder. Doch was wäre gewesen, wenn sie lieber mit ihrem Mann durch die Hallen gezogen wäre?
Tänzer auf dem Vulkan
Ich träume. Ich stehe am Bahngleis und warte auf meinen Zug. Noch ist er nicht zu sehen, aber ich kann ihn schon hören. Sein Grollen wird immer lauter, der Bahnsteig beginnt zu vibrieren und … ich wache auf. Der Boden
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