Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
Ehe.
Auch wenn es meist die eigene Frau ist, mit der „Mann“ im Love Hotel absteigt, möchte er nicht unbedingt gesehen werden. Emotionen und Gelüste sind eben Privatsache, auch innerhalb der Familie. Diskretion ist daher oberstes Gebot im Stundenhotel, Kontakte zwischen Personal und Hotelgast beschränken sich auf das allernotwendigste Minimum. Love Hotels weit draußen auf dem Land verfügen immer über einen abgeschirmten Parkplatz im Innenhof. Die Einfahrt ist ähnlich einer Autowaschstraße mit Streifen verhängt. Ganz vorsichtige Kunden decken zusätzlich mit kleinen Täfelchen ihr Nummernschild ab. Sehr praktisch für den Fall, dass man ausnahmsweise anderer Leute Ehepartner dabeihaben sollte. Fürs Erste vor neugierigen Blicken geschützt, geht es nun weiter zur Rezeption. Dort befindet sich die „Speisekarte“ des Hauses: Auf einer großen Fotowand leuchten die freien Zimmer auf. Jetzt heißt es nur noch wählen und Knopf drücken. Den Schlüssel oder die Chipkarte bekommt das Paar entweder bei einem kleinen Schalter, wo nur die Hände des Angestellten sichtbar sind, oder alles ist automatisiert und eine Maschine spuckt den gewünschten Türöffner aus. Gezahlt wird später im Zimmer am Automaten. Erst dann öffnet sich mancherorts die Tür. Das funktioniert natürlich auch mit Bargeld, man denke an die Kontoauszüge!
Die meisten Love Hotels, Boutique Hotels, Fashion Hotels oder wie auch immer die gerade aktuelle Bezeichnung der Stundenhotels lautet, verlangen für zwei Stunden Aufenthalt um die 5 000 Yen (ca. 40 Euro), die Übernachtung ab frühestens 23 Uhr kostet das Doppelte, ein günstiger Preis für Japan. Entsprechend füllen sich die Eingangshallen der Love Hotels kurz vor Mitternacht in der Feriensaison, wenn junge Reisende billige Unterkünfte suchen und ungeduldig darauf warten, dass die Zimmer frei werden. Ist ein Zimmer geräumt, haben die Reinigungskräfte genau fünf Minuten Zeit, alles wieder perfekt herzurichten. Großzügig kommt dabei die Chemiekeule zum Einsatz, ein schwacher Duft von Chlor bleibt immer zurück. Hinter den Kulissen der Love Hotels arbeiten fast nur ausländische Kräfte, für ihre Arbeit müssen sie kein Wort Japanisch sprechen. Dem Management ist diese Sprachlosigkeit nur recht, so konzentrieren sich die Jobber ganz auf ihre Arbeit und vertrödeln keine Zeit mit Quatschen. Trotzdem müssen wir uns in der Hotellobby in Yokohama gedulden, das von uns ausgewählte Zimmer ist in die Verlängerung gegangen. In der Halle steht ein Snackautomat, Getränke gehen hier als Service immerhin auf Kosten des Hauses. Ich nutze die Zeit und schiele vorsichtig nach den anderen Reisenden. Keiner spricht, alle starren mit räumlichem Abstand zum Sitznachbarn vor sich hin. Wer gehört zu wem? Die pummelige Frau spricht weder mit ihrem Nachbarn zur Linken noch zur Rechten. Wartet sie auf einen unbekannten Dritten? Die angespannte Stille erinnert mich an das Wartezimmer meines Zahnarztes. So müde können die doch nicht sein, das sind doch alles junge Pärchen! Ich bin froh, dieser merkwürdigen Atmosphäre zu entkommen, als unser Zimmer wieder als frei aufleuchtet. Meinem Mann fiel das Schweigen übrigens gar nicht auf. Durch eisernes gegenseitiges Ignorieren bewahrt man in dieser etwas peinlichen Situation schlichtweg Haltung, meint er nüchtern.
Ganz nach Emis Anweisung haben wir uns ein etwas teureres Hotel ausgesucht. Von der gemäßigten Preisklasse sind westliche Ausländer oft enttäuscht, der Großteil der Zimmer sieht wie das heimische Schlafzimmer aus und wirkt einfach nur nett und bequem. Änderungen im Gesetz zwangen die Love Hotels außerhalb der Rotlichtbezirke schon vor einigen Jahren dazu, ihr Dekor schlichter und im Rahmen üblicher Hotelausstattungen zu halten, wenn sie nicht unter besondere Gesetzesvorlagen fallen wollten. So konzentrieren sich viele Etablissements anstelle rotierender Betten und Spiegeldecken auf eine üppige Badelandschaft, mit der sie besonders bei der weiblichen Kundschaft punkten. Es sind fast immer die Frauen, die das Hotel wählen und beurteilen, ob sich ein zweiter Besuch lohnt oder eben nicht – Werbung für die Hotels findet sich eher in Modezeitschriften als in einschlägigen Herrenmagazinen. Die Hotels wetteifern mit kleinen Aufmerksamkeiten, wie kostenloser Eiscreme, einem Hello-Kitty-Wecker zum Mitnehmen und anderen niedlichen Dreingaben, um die Damen an sich zu binden. In der Luxusklasse sind überdimensionale Fernseher und
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