Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
trug und immer wieder im Anzug erwischt wurde?
Die Geschichte nicht-japanischer Sumo-Ringer geht bis in die Sechzigerjahre zurück. Doch erst 1999 schaffte es der Hawaiianer Akebono, den Titel eines Yokozunas zu erringen. Tatsächlich sind nicht alle Japaner über die ausländischen Kämpfer glücklich. Sumo ist in den Augen vieler Japaner halt nicht nur irgendein Sport, Sumo ist Teil der japanischen Kultur und sollte daher den Japanern vorbehalten bleiben, meinen zumindest viele der älteren Fans. Die Sumo-Liga weiß hingegen die medialen Qualitäten der Ausländer zu schätzen. Dank der exotischen Gesichter steht Sumo wieder im Scheinwerferlicht der Medien, das schlägt sich auch im Ticketverkauf nieder. Nach dem Rücktritt von Asash ō ry ū , dem Enfant terrible des Sandrings, sackten die Zahlen zwar etwas nach unten. Doch Hoffnung naht in der Gestalt des jungen Bulgaren Baruto. Frisch zum Rang eines Ozeki ernannt, macht er sich schon daran, eine ernsthafte Konkurrenz für den Mongolen Hakuh ō zu werden. Die japanischen Fans betrachten ausländische Ringer gerne als Salz in der Suppe des Sumo. Doch sollen sie, bitte schön, nicht ausschließlich unter sich die Titelmeisterschaften austragen. Die „weiße Flut“ geht mittlerweile auch der Liga zu weit. Und so gibt es ab 2010 mal wieder neue Regeln: Fortan darf pro Heya nur noch ein Ausländer trainiert werden. Reduzierte man den Anteil bislang mit der unbürokratischen Verleihung der japanischen Staatsbürgerschaft, ist dieses Schlupfloch mittlerweile auch gestopft: Japaner mit Pass, aber ohne authentische Wurzeln zählen fortan wieder als Ausländer. Immerhin betrifft das nur neue „Importe“, die schon im System etablierten Kämpfer dürfen weiter um die Titel schubsen, rempeln oder einfach ausweichen und den Gegner so aus dem Ring stürzen lassen.
Sechsmal im Jahr stoßen die Riesen offiziell aufeinander, acht Tage wird dann gekämpft, und das gilt für alle Rikishi, ob nun unterster Rang oder erhabener Yokozuna. Dann flattern um das Kokugikan, die Turnierhalle in Ryogoku, wieder die Fahnen mit den Namen der Sumo-Kämpfer, und die Autogrammjäger lauern am Hintereingang. Auch Shinya ist regelmäßig dabei, auch sein Kampf wird im Fernsehen übertragen. „Noch kämpfe ich am frühen Nachmittag. Leider schauen dann nur wenige Leute zu. Richtig interessant wird es für die Leute erst in der letzten Stunde, wenn die Besten in den Ring steigen. Da will ich auch mal sein!“
Alle zwei Monate erhalten Shinya und seine jungen Kollegen die Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen, jedes Turnier ist eine Chance zum Aufstieg. Das macht den Sport für die unzähligen unsportlichen Couch-Potatoes Japans so populär. Sie wollen das Geschehen nicht nur allabendlich am Bildschirm verfolgen, sondern auch schwarz auf weiß analysiert haben. Nicht umsonst gibt es in Japan die weltweit größte Sporttageszeitung mit einer Auflage von über zwei Millionen Exemplaren. Die Tokyo Sports, von ihren Fans kurz ToSuPo genannt, erscheint abends und liefert so als Erste die Ergebnisse des Tages. Sumo hat eine eigene feste Sparte im Blatt, wie übrigens auch Pferderennen und sogar Pachinko, das japanische Flippern. Ansonsten lebt das Blatt von etwas fragwürdigen Nachrichten wie dem Besuch von Außerirdischen oder dem neuesten Tratsch über Stars und Sternchen.
Shinya hat es auf einmal eilig, der Duft vom Mittagessen weht durchs Haus. Elegant erhebt er sich vom Kissen und begleitet uns zur Tür. Auch mein Magen knurrt. „Komm, gehen wir zu McDonald's“, schlage ich Mariko draußen vor, „ein letztes Mal Rikishi anschauen!“, und wir fangen beide an zu kichern.
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1 Heya oder auch Sumo-Beya bezeichnet die Trainingsgruppe unter einem aus dem aktiven Sportleben ausgetretenen hochrangigen Sumo-Kämpfers. Korrekte Übersetzung: Zimmer/Raum oder auch Stall, wie bei der Pferdezucht.
2 Junior-Senior-System: Der Ältere verfügt über den Jüngeren und sollte im Gegenzug für ihn verantwortlich sein.
Darf's ein bisschen länger sein?
„Morgen fahren wir nach Yokohama und ich habe noch kein Hotel gebucht.“ Seufzend sitze ich meiner Freundin Emi gegenüber. Ich liebe die traditionellen Gasthäuser Japans, die Ryokans, mit ihren großzügigen Badeanlagen und den üppigen Abendessen an niedrigen Tischen. Die Standardhotels der Großstädte langweilen mich. Sie sind mir zu praktisch und unpersönlich, als dass ich dafür mit Freuden mein Erspartes opferte. Ryokans
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