Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
jemanden hierher schicken.«
Laura erkannte, dass das die richtigen Worte waren. Sie fühlte sich getröstet und erleichtert. Ohne die Verletzten waren sie schneller unterwegs - und konnten umso rascher Hilfe schicken. Es schien der richtige Weg zu sein.
Andreas blickte in die Runde. »Ich denke, damit ist alles gesagt. Selbstverständlich ist es Ihnen überlassen, ob Sie sich uns anschließen oder hierbleiben. Für alle, die mitgehen, gilt Folgendes: Die Beeren reichen noch drei Tage. Wir werden morgen alle nötigen Vorbereitungen treffen, zusammenpacken, was wir mitnehmen können, und uns gründlich ausschlafen. Übermorgen brechen wir dann auf.«
Die Menge ging langsam auseinander. »Ich bin dafür«, sagte eine Frau, »dass wir uns in einer Stunde zusammenfinden, um der drei zu gedenken, die da draußen ihr Leben für uns gegeben haben. Wir sollten eine kleine Gedenkstätte einrichten.«
»Eine gute Idee«, antwortete Milt. »Sie haben auf alle Fälle eine Ehrung verdient, und für uns wird es ein Trost sein.«
»Ein Anker«, murmelte der Nordire. »Es bleibt etwas von uns zurück und wird ein Teil von hier, und damit ist diese Welt nicht mehr so fremd.«
Laura und Zoe nahmen ihre Wache wieder auf. Ein findiger Mann hatte sich tagsüber ein wenig mit der Zeitmessung beschäftigt und zusammen mit Felix Müller und seinem Sohn Luca aus verschiedenen Schrottteilen eine Sanduhr gebaut, die er mit Markierungen versehen hatte. Ein Strich bedeutete »eine Stunde«. Das war natürlich nur eine vage Angabe, aber sie half ungemein in der Nacht, da mangels Sternen und Mond sonst keinerlei Zeit gemessen werden konnte.
»Zoe, der Sand verrinnt nicht schneller, wenn du dauernd darauf starrst«, mahnte Laura.
»Mir ist langweilig«, kam die Antwort. »Normalerweise würde ich jetzt einen draufmachen, tanzen bis zum Abwinken, Prosecco schlürfen und Spaß haben. Vielleicht auch einen netten Kerl abschleppen. Oder mich einladen lassen.« Sie rang die Hände. »Ich geh bald drauf, Laura! So ein Leben wie das hier bin ich nicht gewohnt, das ist einfach nur grässlich.«
Laura bezähmte sich. Wenn Zoe in dieser Stimmung war, war sowieso nicht mit ihr zu reden. Und was hätte ein Streit gebracht? »Wird schon wieder«, stieß sie hervor.
»Da bin ich nicht so sicher«, widersprach Zoe prompt. »Mein Teint, meine Haut - der Sand und die Trockenheit sind einfach pures Gift. Wahrscheinlich krieg ich als Nächstes Pickel und Falten gleichzeitig und werde aussehen wie ein mumifiziertes Warzenschwein.«
Laura schaute in die Wüste hinaus. Es war das Beste, wenn sie so schnell wie möglich von hier aufbrachen, sonst gab es irgendwann Mord und Totschlag.
Als die Gedenkfeier anfing, wollte Jack ihnen erlauben, den Posten zu verlassen, um daran teilzunehmen.
»Sorry«, sagte Zoe, »aber ich hab diese Leute überhaupt nicht gekannt, und das zieht mich nur noch mehr runter. Ich konzentrier mich lieber auf meine Aufgabe hier.«
Laura schüttelte ebenfalls den Kopf. »Ich kann auch von hier aus dran teilnehmen. Gerade bei solchen Gelegenheiten würde ein Dieb zuschlagen, Jack, und das will ich keinesfalls zulassen. Geh nur hin, wir halten hier die Stellung.«
Sie hörten Murmeln und dann schließlich Gesang, der erstaunlich gut klang und Trost spendete. Zoe tastete nach Lauras Hand und drückte sie fest.
»Da sind wir also«, murmelte Zoe. »Mann, was für ein Schlamassel. Wahrscheinlich wird mich niemand mehr kennen, wenn ich zurückkomme, und ich muss mir einen neuen Job suchen und kann meinen Millionär vergessen. Vielleicht komme ich ja irgendwo als Barschlampe unter und lande in zwei Jahren im Rinnstein.«
»Du könntest deine Erlebnisse hier zum Besten geben«, meinte Laura. »Das wäre garantiert ein Bestseller, ein Vogue-Model im Überlebenskampf in der Wüste. Vorabdruck in Magazinen mit deinen Fotos vorher und nachher und dann die Buchausgabe und selbstverständlich der Film. Die Leute werden sich drum reißen!«
»Klingt gar nicht mal so schlecht. Hilfst du mir beim Schreiben? Du kommst mit auf den Titel.«
»Eigentlich bin ich mehr Analytikerin für Kunst und Literatur.«
»Dann nehmen wir eben noch einen Ghostwriter dazu, und du bist meine Managerin. Aber wer soll mich im Film darstellen? Das ist ein großes Problem. Das muss ich wahrscheinlich doch selbst machen.«
Laura konnte nicht anders, sie kicherte hinter vorgehaltener Hand.
»Was denn?«, fragte Zoe verständnislos.
»Nichts.«
»Okay.«
Hand in Hand
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