Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
unternehmen sollten. Der Schattenlord war offenbar in Cuan Bé so gefordert, dass er das Heer der Kannibalen zwar losgeschickt hatte, aber im ersten Schritt wohl zunächst die Belagerung angeordnet hatte, bis die Dinge im Vulkan geordnet waren und er mit weiterer Verstärkung – den Iolair, »umgedreht« oder in Dienst gezwungen – eintraf. Es sollte dann sicherlich alles schnell gehen.
Den ersten Angriff hatten die Iolair erfolgreich geführt, doch dabei war sehr viel Glück mit im Spiel gewesen. Veda hatte dem Feind deutlich machen wollen, dass er sich jeden Schritt wohl überlegen sollte.
Doch so recht traute niemand in Vedas Lager der Ruhe. Sie würden in ihrer Wachsamkeit keinen Moment nachlassen. Die Situation konnte sich schlagartig von einem Augenblick zum nächsten ändern. Beispielsweise dadurch, dass Alberich plötzlich hier auftauchte, weil er es sich anders überlegt hatte. Dem Drachenelfen war alles zuzutrauen.
Die Flugpatrouillen meldeten durchaus Bewegungen bei den Gog/Magog. Auch diese schickten Späher in Gruppen aus, die schnell und ausdauernd übers Land liefen, unter anderem in weitem Bogen um Vedas Lager; oder sie gingen auf die Jagd.
Reisende gab es in weitem Umkreis nicht mehr, abgesehen von Kriegern, die sich den Iolair anschlossen. Doch von Tag zu Tag trafen weniger Neuankömmlinge ein. Das mochte weniger an der Mutlosigkeit liegen, sondern vielmehr an den immer weiteren Entfernungen und der Verschlechterung der allgemeinen Lage. Viele Stadtherren zogen nun enge Bandagen an, schlossen die Tore, und Handel zu treiben wurde schwieriger. Abgesehen von den weiterhin umherziehenden Tieren lag das Land still da, schlummernd unter der Sonne.
Veda begrüßte die Teilnehmer der Runde. Josce und Jack waren dabei, Hanin von den Assassinen und einige Anführer der Iolair.
»Wir haben uns erfolgreich in einem Scharmützel geschlagen«, begann sie. »Doch nun müssen wir uns beraten, was zu tun ist. Zunächst einmal: Wie ist die Situation der Versorgung, unsere Angriffs- und Verteidigungslage?«
Hierfür war der ebenfalls anwesende Lagermeister zuständig; er erteilte umfassend Auskunft. Kurz gesagt: Derzeit sah es sehr gut aus. Sie hatten genug Nahrung, Wasser schöpften sie aus einem vor Kurzem fertiggestellten Brunnen. Die Verteidigungsmaschinerie kam gut voran, die Krieger wurden ununterbrochen geschult und mit Ausrüstung aus den ebenfalls Tag und Nacht arbeitenden Schmieden versorgt. Sie waren auf einen Angriff ebenso wie auf eine Belagerung vorbereitet. Nicht zu vergessen ihr Vorteil durch die fliegenden Einheiten, denn die Gog/Magog besaßen nicht ein einziges Flugtier. Sie waren reine Bodenkämpfer – in dieser Hinsicht allerdings fürchterlich. Und vor allem waren sie in gewaltiger Überzahl.
Sie brauchten sich nichts vorzumachen – sollten die Kannibalen geschlossen gegen das Lager anstürmen, hatten sie so gut wie keine Chance, das zu überleben. Allerdings würden sie eine Menge Feinde mitnehmen. Deswegen glaubte Veda nicht, dass die Gog/Magog einen solchen Angriff führen würden. Sie waren nicht am Lager interessiert, sondern an Morgenröte.
»Aber das sind wir auch!«, warf Josce, die Zentaurin, ein. »Ich schlage vor, dass wir den Palast erstürmen und uns dort verschanzen, bis wir einen Weg gefunden haben, unsere Herrscher zu befreien!«
Zustimmung wurde laut.
Veda hingegen, sonst immer die Erste beim Angriff, schüttelte zum Erstaunen der anderen den Kopf. »Leonidas ist dort mit seinen annähernd dreihundert Reitern. Wir haben keine Chance, an ihnen vorbei hineinzukommen. Der Palast kann von wenigen Leuten wenigstens für einige Zeit gehalten werden, besser als dieses Lager hier. Und diese Krieger sind die besten, das wisst ihr alle.«
»Aber wir sind mehr!«
»Mag sein. Gesetzt den Fall, uns gelingt es, den Palast zu erobern. Wie viele werden wir dann noch sein? Wie wollen wir einer zigfachen Übermacht der Gog/Magog standhalten, nachdem uns der Kampf gegen Leonidas aufgerieben hat?«
»Da ist was dran«, murmelte Jack.
Auch Josce nickte zögernd.
»Und ich male die Szene noch weiter«, fuhr Veda fort. »Die Gog/Magog folgen uns nach, warten, bis wir geschwächt sind, nehmen den Palast dann im Sturm ein und metzeln uns alle nieder.«
Schweigen folgte, einige rieben sich unbehaglich die Arme.
Hanin machte eine resignierte Geste. »Das bedeutet im Grunde, wir ... hier draußen ... müssen Morgenröte verteidigen! «
Veda nickte. »Ja. Bevor sie gegen Morgenröte
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