Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
hereingelaufen. »Hast du gehört? Die Rettung ist unterwegs!«
»Ja, ich habe es mitbekommen. Wie nah ist er?« Laura musste sich festhalten, als ein heftiger Ruck durch das Schiff ging. Es knirschte und ächzte, und dann bewegte es sich schwankend.
»Oh, noch sehr weit entfernt. Wir legen jetzt ab, um ihm zu entkommen.«
»Fokke scheut den Kampf?«
»Ich nehme an, er will euch zuerst irgendwohin bringen, damit der Korsar nicht an euch rankommt, und wird ihn dann stellen. Euch will er als Druckmittel in der Hinterhand behalten.«
Der Schiffsjunge musterte sie. »Du siehst furchtbar aus«, sagte er leise. »Was ist denn nur geschehen? Du hast verloren, nicht wahr? Alles ist unverändert ...«
»Nein, ich habe gewonnen. Er hat mich reingelegt!«, stieß Laura in ohnmächtiger Verzweiflung hervor. »Das Geheimnis zu kennen löst nicht den Fluch. Das hat er die ganze Zeit über gewusst und seinen Spaß mit mir gehabt!«
Aswig machte ein betroffenes Gesicht. »Das ist ... das ist unfair.« Er stolperte gegen Lauras Sessel, als das Schiff eine scharfe Seitwärtsbewegung machte. Von draußen klangen gebrüllte Befehle herein, das Geräusch vieler Füße auf den Planken war zu hören. Fokke versetzte das Schiff in höchste Alarmbereitschaft; er würde jetzt für nichts anderes Augen und Ohren haben. Ebenso der Steuermann.
Der Schiffsjunge drückte Lauras Arm. »Warte hier, ich bin gleich zurück.« Er sauste hinaus.
In diesem Moment schwebte Andreas herein. »Verdammt, Laura, wer konnte das ahnen?«, sagte er voller Kummer. »Er ist ein noch viel größeres Dreckschwein, als wir es uns vorstellen konnten ...«
Laura erholte sich langsam von dem Schock. Die Enthüllung bezüglich des Schattenlords hatte sie nach dem ersten Schrecken beiseitegeschoben, die war jetzt nicht wichtig. Die Auseinandersetzung mit Fokke war noch keineswegs vorüber, egal, wie er es sehen mochte.
»Ja, Andreas, wir sitzen tief drin. Aber trotzdem habe ich das Geheimnis gelüftet, und das muss zu irgendwas gut sein.« Sie wandte sich Aswig zu, der gerade wieder hereinkam – schwer schleppend.
Er brachte frisches Wasser in einem großen Behälter, Seife, Handtuch, Trockenfrüchte, Saft – und Kleidung. »Sie ist sauber«, versicherte der Junge.
Laura war für alles dankbar. Ihre eigene Kleidung war nicht mehr zu gebrauchen. »Stört es dich, wenn ich mich ausziehe?«, fragte sie Aswig.
»Nein, ich bin schließlich ein Halbelf!«, erklärte der Schiffsjunge, wurde hochrot und drehte sich hastig um.
Das Schiff war weiterhin in schaukelnder Bewegung, und oben herrschte Hektik. Fokke würde ganz sicher nicht so schnell hereinkommen. Dennoch wollte Laura sich beeilen.
»Ich drehe mich auch um!«, fistelte Andreas.
Die junge Frau lachte. Tatsächlich, sie konnte es noch. Absurd, aber befreiend. »Andreas, du bist so was wie ein Geist, das ist lächerlich.«
Sie warf die Sachen von sich, nahm Schwamm und Seife und rieb sich von oben bis unten ab. Das tat beinahe so gut wie eine Dusche, es erfrischte sie sogar, obwohl sie sich zum Umfallen müde fühlte. Zwischendrin aß und trank sie. Die Kleidung war um mindestens drei Größen zu weit und zu lang, aber Aswig hatte an Gürtel gedacht. Ärmel und Hosenbeine konnte sie hochkrempeln. Als sie fertig war und an sich hinabblickte, fand sie sich irgendwie verwegen.
»Kannst dich umdrehen, Aswig«, sagte sie schmunzelnd.
Der Schiffsjunge hielt scheu die Augenlider gesenkt, dann riskierte er doch einen Blick und lächelte. »Viel besser!«
»Jetzt hört zu, ihr zwei«, sagte Laura eindringlich. »Dass ich das Geheimnis gelüftet habe, war der erste Schritt. Er ist die Vorbereitung für die Auflösung des Fluches. Andreas, hast du alles mitgehört?«
Der Seelengeist nickte.
»Dann kannst du Aswig aufklären, das ist gut. Jedenfalls steckt der zweite Schritt, wie der Fluch zu lösen ist, in Fokkes Erzählung. Er hat es mir ganz sicher schon gesagt, aufgrund der Regeln des Duells, aber ich habe es nicht erkannt. Natürlich nicht, ich bin ja davon ausgegangen, wie es eben im Film und in den Büchern so ist, dass mit der Offenbarung alles beendet ist!«
»Glaubst du, Fokke weiß, wie der Fluch aufgelöst werden kann?«
Laura hob die Schultern. »Keine Ahnung. Es spielt aber für uns keine Rolle, ob er es weiß oder nicht – wir müssen es für uns herausfinden.«
»Ich glaube nicht, dass Fokke es weiß«, sagte Andreas langsam. »Genau darum geht es ja, weswegen der Fluch so lange hält. Ihm
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