Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
mit den Kindern. Alles würde wieder gut werden, ganz gewiss.
Angela beruhigte sich und lag nun wieder so regungslos wie zuvor da. All ihre Muskeln waren angespannt, doch nichts deutete darauf hin, dass sich ihre Situation verschlechtert hätte.
Erschöpft rollte er zur Seite ins Gras. Angela besaß Kräfte, die er niemals vermutet hätte. Sie hatte ihn gekratzt, mit langen und schwarz lackierten Fingernägeln.
Wo hat sie in diesem Land bloß schwarzen Nagellack aufgetrieben?
Er betrachtete ihre Finger und kratzte über einen Nagel. Der Lack ging nicht ab, sosehr er sich auch bemühte, und er verstand: Die Veränderung, die mit Angela vor sich gegangen war, hatte selbst ihren Körper erfasst. Die Fingernägel waren schwarz!
Verdammt! Er musste sich konzentrieren. Was war mit der Blutung? War sie gestillt?
Neuerlich kontrollierte er die Wunde. Sie war wieder geschlossen. Bei all der Kraft, die er aufgewandt hatte, um Angela zu beruhigen, hatte er ihr die Waffe wieder bis zum Anschlag in den Leib gerammt, und dort saß sie nun fest, als wäre sie zum fixen Bestandteil ihres Körpers geworden.
War es das, was ihm der Dolch hatte mitteilen wollen?
Felix stand unsicher auf und blickte sich um. Da war ein kleiner Bach, der ebenfalls im Schatten des monumentalen Bauwerks lag. Das Wasser sprudelte fröhlich vor sich hin. An der breitesten Stelle des Gewässers hatten sich rehartige Tiere versammelt. Sie soffen und kümmerten sich nicht weiter um ihn. Es wirkte, als wären sie an die Gegenwart von Menschen oder Elfen gewöhnt; vielleicht waren sie ja auch Elfen, die eine Tiergestalt angenommen hatten?
»Helft mir!«, rief Felix ihnen zu.
Sie hoben ihre Köpfe und starrten ihn verständnislos an, bevor sie ihre Schnauzen wieder im Wasser versenkten. Sie wirkten gleichgültig und keinesfalls so, als besäßen sie Verstand.
Felix kicherte. Er stand am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Er wusste nicht, was er tun sollte, was falsch oder richtig war. Und ihm war schwindlig.
Er vergewisserte sich, dass Angela ruhig war. Sie wirkte stabil, auf einem sehr niedrigen körperlichen Niveau. Jeder Atemzug mochte der letzte sein. Doch wenn er nur dasaß und auf ihr Ende wartete, vergab er womöglich die letzte Chance, ihr zu helfen.
Also torkelte er davon, hin zum Bach, schöpfte Wasser, spritzte es sich ins Gesicht und trank ein paar Schlucke. Neben ihm beugte sich ein halbmannsgroßes Gewächs weit über das Rinnsal. Es hatte volle grüne Blätter, mindestens zwanzig Zentimeter im Durchmesser. Felix zupfte eines davon ab, reinigte es von Ungeziefer und füllte dann die Innenseite mit dem kühlen Nass. So rasch er konnte, trug er das Blatt hin zu Angela.
Ihr Mund war ein wenig geöffnet. Er flößte ihr das Wasser ein. Der größte Teil rann aus den Mundwinkeln zu Boden; doch es schien so, als würde sie zumindest kleine Mengen im Mund behalten und auch instinktiv trinken.
Er lief dreimal hin und her, und mit jedem Mal vergrößerten sich seine Hoffnungen. Es wirkte tatsächlich so, als würde sich Angela erholen.
Er reinigte die Wunde, so gut es ihm möglich war. Sorgfältig tupfte er Blut ab und betrachtete die Einstichstelle. Die Haut ringsum war angehoben – und sie schien allmählich mit dem Stahl zu verkleben, zu verwachsen!
Täuschte er sich, oder kehrte ein bisschen Farbe in Angelas Gesicht zurück? Atmete sie freier, ließ das Zittern ihrer Glieder nach?
Felix berührte ihre Stirn. Sie glühte. Angela bewegte ihre Lippen, als wollte sie etwas sagen. Unter den geschlossenen Lidern rollten die Augen wild hin und her, und die Nasenflügel bebten.
Sie kam zu sich!
Felix konnte es kaum glauben. Seine Frau, dieses unglaublich starke Geschöpf, widerstand dem Tod mit jener Zähheit, die sie auch im wahren Leben, im Leben auf der Erde, immer wieder zur Schau gestellt hatte.
»Ich bin's!«, flüsterte er und schob sein Gesicht ganz nahe an ihres. »Felix, dein Mann. Ich bin hier, um dir zu helfen und dich zu beschützen. Wach auf, Liebes. Bitte!«
Angela schlug die Augen auf. Sie hatte ihn gehört und seine Stimme erkannt. Sie starrte ihn an, aus nächster Nähe. Da war Erkennen in ihren Blicken, ganz eindeutig. Sie wusste, was er für sie in Kauf genommen hatte und dass er es war, dem sie ihr Leben verdankte. Denn ohne seine Worte und seine Zuneigung hätte sie diese Minuten niemals überlebt. Oder?
Angela öffnete den Mund. Die Haut war spröde und zerbissen. Schwach flüsterte sie: »Verschwinde aus meinen
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