Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
Übernahm die Kristallhexe immer mehr den beherrschenden Part in ihrem Denken?
Felix wusste es nicht. Er hatte sich niemals mit derartigen Dingen auseinandergesetzt. Sie waren ihm viel zu kompliziert.
Wenn es darum ging, Frauen zu verstehen, war alles viel zu kompliziert.
Er trottete hinter Angela her. Irgendwann kam ihm der Gedanke, dass er sich genauso wie die Gog/Magog verhielt. Er war ein Teil eines Rudels, dessen Anführerin sie allesamt gehorchten.
Felix schätzte, dass sie sich mehr als hundert Meter unter der Erdoberfläche befanden. Hier war es angenehm warm und auch trocken. Nach wie vor gab es ausreichend Licht. Wind wehte durch die Gänge, die sie entlangeilten. Er brachte stets frische Luft mit sich.
»Wir haben's gleich geschafft, Kristallhexe«, sagte einer der Gog/Magog. »Ich kann unseren Ausbilder, unseren Rottenführer, bereits riechen.«
»Gut.« Angela rückte ihr Gewand zurecht, als ginge es darum, einen Menschenmann oder einen Elfen zu bezirzen. Sie wirkte nun vollends beherrscht; von einer Schwäche war nichts zu bemerken.
Der abwärtsführende Gang mündete in einem Raum, dessen Ausmaße nicht zu erkennen waren. Das Dämmerlicht reichte nicht aus, um die Wände und Mauern der gegenüberliegenden Seite der Halle auszuleuchten. Felix ahnte, dass hier mehrere hundert Gog/Magog Platz gefunden hätten. Die Vorstellung, dass sich im Schatten noch mehr dieser unheimlichen Lebewesen verborgen hielten, machte ihm mehr Angst, als er sich selbst eingestehen wollte.
Wenn Angela etwas zustößt, bin ich Hundefutter!, kam es ihm zum Bewusstsein. Rasch schob er diesen schrecklichen Gedanken beiseite. Seine Frau würde ihn niemals im Stich lassen. Und wenn ihr etwas geschah – nun, dann interessierte ihn sein eigenes Leben ohnedies nicht mehr.
»Die Fremde, die uns unbedingt besuchen möchte«, sagte jemand mit einer Stimme, die Felix eine Gänsehaut bescherte.
Angela und er drehten sich zur Seite, hin zu einer Gestalt, die eben hinter einem Felsen hervorgetreten kam. Der Gog/Magog war fast zweieinhalb Meter groß und breit wie ein Schrank. Neben ihm fühlte sich Felix wie ein Zwerg. Und dann diese Angst einflößende Ausstrahlung ...
»Du bist der Rottenführer?« Angela gab sich unbeeindruckt.
»Ich herrsche über den Aufstieg, den ihr benutzt habt, und über eine Hundertschaft meiner Landsleute. Sie sind mir treu ergeben.« Graublaue Augen glänzten und glitzerten. Der Rottenführer entblößte sein beeindruckendes Gebiss. »Ich hörte, du hättest einen meiner Schutzbefohlenen getötet?«
»Er ist beleidigend geworden. Deine Rotte benötigte eine Zurechtweisung.« Angela verschränkte die Hände vor der Brust.
»Das ist mein Reich!«, brüllte der Gog/Magog unvermittelt los. »Wenn hier jemand stirbt, dann bin ich es, der das Leben nimmt!«
»Die Dinge ändern sich. Das wirst auch du akzeptieren müssen, mein großer, böser Wolf.«
Felix wusste nicht, was ihn mehr erschreckte: die Gog/Magog, die sie allmählich einkreisten und ihre Arme begierig nach ihnen beiden ausstreckten – oder Angelas Gelassenheit. Seine Frau gab sich von den Tiermenschen völlig unbeeindruckt.
Der Rottenführer gab unverständliche Kommandos. Immer mehr der Gog/Magog rotteten sich zusammen. Sie hörten auf ihren Anführer; sie standen eng an eng und ließen sich nicht mehr von Angelas Präsenz beeindrucken. Sie nahmen ein Jaulen des Rottenführers auf und unterlegten es mit ihren eigenen Stimmen. Es klang nach Dissonanz, nach Aggressivität, nach Wut. Die Masse ihrer Körper wogte hin und her, ihre Hände schlossen und öffneten sich, schlossen und öffneten sich.
Seine Frau blieb gelassen. Sie bedeutete ihm, sich hinter ihr zu verstecken. Nur zu gern gehorchte er. Es war fast wie früher: Angela entschied, was er zu tun und zu lassen hatte, und sie kümmerte sich um alles.
Einer der Gog/Magog zuckte vor und gleich wieder zurück. Doch er war zu langsam. Angela hatte ihn bereits ins Visier genommen. Blitzschnell streckte sie ihre Rechte aus und tat einige unverfänglich wirkende Handbewegungen. Der Wolfsartige röchelte, griff sich an den Hals, schnappte verzweifelt nach Luft.
Felix hörte Angela lachen. Sie stahl ihrem Gegner kraft ihrer Gaben den Sauerstoff. Mund und Hals überzogen sich mit Raureif. Langsam kippte er vornüber, sehr zum Entsetzen seiner Landsleute, die nicht verstanden, was da vor sich ging.
Der Anführer tobte, als sich seine Leute von ihm abwenden und das Weite suchen wollten. Er
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