Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
es in der Geschichte des Elfenreichs vorgekommen sein, dass ein Liebespärchen ein anderes jagt? Hältst du das nicht für eine Fügung des Schicksals?«
»Was möchtest du damit sagen? Dass du sie entkommen lassen möchtest, weil sie mehr füreinander empfinden, als unseresgleichen es herkömmlicherweise tut? Möchtest du auf Ruhm und Ehre und die Aufnahme in den innersten Zirkel des Sicherheitsapparats von König Dafydd verzichten?«
»Nein, aber ...«
»Dann red nicht so seltsames Zeugs daher! Wir werden das Du-weißt-schon-was an uns bringen und die Diebe dem Urteil der Gerichte der Crain ausliefern.«
»Du gehst zu hart mit ihnen zu Gericht.« Bathú schüttelte den Kopf. »Eigentlich handelt es sich bloß um einen Dummejungenstreich. Sie haben etwas gestohlen – na und? Das ist doch gang und gäbe, dort, wo wir herkommen.«
»Es handelt sich um das Du-weißt-schon-was! Um eine Reliquie, wie es keine andere im Baumschloss gibt! Es wurden bereits Kriege wegen derartiger Besitztümer ausgefochten.«
»Es wurden Kriege bereits wegen weitaus banaleren Dingen ausgefochten. Denk doch an die Geschichte von der Schönen Tanassee, der ein besonders gewitzter Elf ein Nasenfurunkel genommen hatte. Er und seine Freunde wurden von Tanassees Vater erbarmungslos verfolgt. Es wurde gebrandschatzt, getötet und gemordet. Und warum? Wegen etwas, das die sonst so wunderschöne Frau verunstaltet hatte! Doch sie hatte sich in ihrer Ehre gekränkt gefühlt, und sie hatte nicht mehr geruht, bis der Dieb gefasst und in den Kerkern ihres Vaters eingesperrt worden war.«
»Das ist ein Ammenmärchen. Das weißt du nur zu gut, Bathú.«
»Aber es könnte wahr sein! Weil wir Elfen so engstirnig und rachsüchtig sind und kein Erbarmen kennen.«
»Wir vergessen sehr rasch wieder. Die Langlebigkeit, Fluch und Segen zugleich, erlaubt uns, Dinge, die vor fünfzig Jahren geschehen sind, völlig auszuklammern und sie nicht mehr als wichtig anzusehen. Feinde werden zu Freunden und umgekehrt.«
»Ist es bei uns ebenso?«, fragte Bathú. »Wird das, was wir heute füreinander empfinden, in einigen Jahren nicht mehr von Bedeutung sein?«
»Ich weiß es nicht. Und ich möchte auch nicht darüber nachdenken.« Cwym widerstand dem Drang, seinen Freund an sich zu ziehen, ihn zu küssen und zu liebkosen. Er kannte ihn nur zu gut. Bathú verstand es ausgezeichnet, ihn zu manipulieren, indem er Schwäche und Hilfsbedürftigkeit vorgaukelte.
»Na schön.« Der Elf, den die Menschen Bohnenstange genannt hatten, hob die Schultern. »Machen wir uns auf den Weg und versuchen ein weiteres Mal unser Glück.« Er deutete auf die Vorräte rings um sie, die Laura und Arun hinterlassen hatten. »Was machen wir damit?«
»Mitnehmen selbstverständlich! Ein klein wenig Komfort und Dekadenz in dieser kulturellen Einöde namens Innistìr kann gewiss nicht schaden.«
»Und wie sollen wir das Zeug transportieren?«
»Mithilfe von Magie.«
»Du meinst diese ganz besondere Art der Magie? «
»Es ist die einzige, die für mich zählt.«
Bathú blickte ihn an, verwirrt wie immer, wenn er von seinen eigenen Gefühlen überwältigt wurde. Was war es bloß, das sie aneinander band, das diese Wucht der Gefühle oft provozierte und auslöste, seit mehreren Jahren? Warum fühlten sie innige Liebe und andere Elfen nicht?
Cwym trat näher an seinen Partner heran. Streichelte seinen Rücken, fühlte die zarten Linien des Körpers und die der Arme. Bathú versprühte die Schwerelosigkeit eines Schmetterlings, konnte aber auch zupacken, dass es ihm den Atem raubte. Und er schaffte es immer wieder, Cwym in völlige Verwirrung zu stürzen.
Sie pressten die Münder aufeinander, zärtlich, zitternd, gierig auf die Erwiderung des anderen. Voll Liebe und Leidenschaft wie am ersten Tag, da sie sich kennengelernt hatten am Hof des nichtssagenden Herrschers einer nichtssagenden Grafschaft in einem Land, das im Machtgefüge Crains kaum Bedeutung hatte.
Cwym war wie elektrisiert, als sich sein Freund gegen ihn presste, leise keuchte, ihm Liebeswörter ins Ohr flüsterte und ihn mit seinem ganz besonderen Zauber umgab, der keinerlei Magie bedurfte.
So standen sie da, trunken vor Freude darüber, einen Elfen fürs Leben gefunden zu haben, flüsterten sich Zärtlichkeiten zu. Sie dachten nicht an Sex. Für sie war einzig wichtig, dass es den anderen gab. Dass sie nicht allein durchs Leben gehen mussten, durch diese vielen Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte, die noch vor ihnen
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