Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
... Die Darstellung eines Elfen galt in vielen Reichen, in denen seinesgleichen beheimatet war, als Blasphemie. Ein Teil Aruns fühlte sich höchst unwohl, während er die Darstellung betrachtete.
Er wandte die Augen ab und konzentrierte sich auf die Kochstelle, die einen zentralen Raum in der Hütte einnahm. Auf einem Regal über dem voluminösen Herd standen Töpfe und Gläser, allesamt bis an den Rand gefüllt mit Zähnen, Augen, eingeschrumpelten und schwarz gewordenen Fingern, mit Knochensplittern und Hautteilen ... Daneben waren Werkzeuge aufgehängt. Kneifzangen, Bohrer und Sägen. Skalpellähnliche Messer, Spreizer und winzige Hämmerchen.
Arun graute es; er drehte seinen Körper ein bisschen, sodass er die andere Hälfte des einzigen Zimmers überblicken konnte. Ein handgearbeiteter Teppich bedeckte den hier steril sauberen Fußboden; auf dem einzigen Tisch lagen mehrere gehäkelte Deckchen, und mehrere Holzarbeiten, die dort abgestellt waren, zeugten von der handwerklichen Geschicklichkeit Krasarhuus. Dieser Teil der Hütte, bunt und fröhlich und mit der Leichtigkeit eines Elfen eingerichtet, spiegelte die andere Seite des Wahnsinnigen wider.
Und in einem Schaukelstuhl, der nahe der einzigen Tür stand, saß eine Frau. Eine Elfenfrau. Sie blieb regungslos; nur die Augen bewegten sich. Ihre Beine waren verholzt; verwachsen mit dem Boden, in den ein Loch geschnitten worden war, sodass die Fußwurzeln das Erdreich darunter fühlen konnten. Arme waren keine mehr zu sehen, sie waren wohl fest mit dem verholzten Rumpf verwachsen.
Arun hielt den Atem an. Dies war zweifellos Krasarhuus Mutter! Sie musste uralt sein, und sie hatte wohl vor einiger Zeit entschieden, sich in die Verholzung zurückzuziehen, wie es viele Elfen taten, die zu viel gesehen und zu viel erlebt hatten.
»Er wird bald kommen«, sagte die Alte, deren Gesichtszüge von winzigen Blättern und Blüten überzogen waren. »Krasarhuu wird sich euer annehmen. Habt keine Furcht. Es kann euch nichts geschehen. Nicht hier. Nicht in dieser Hütte.«
Ihr Leib erzitterte. Holz rieb gut hörbar an Holz, als sie ihre Wurzelarme bewegte.
Harmeau kam zu sich. Sein erster Blick galt der Pfeife, die in eine Brusttasche gesteckt war. Mit einem Seufzer der Erleichterung sah er sich um. Er wirkte unbeeindruckt von der Umgebung; auch der Anblick der verholzenden Frau schien ihn nicht sonderlich zu stören. »Ich wusste, dass uns an Land nichts Gutes erwartet«, sagte er.
»Krasarhuu freut sich auf euren Besuch.« Eine Knospe am Kinn der Alten öffnete sich, trübe Flüssigkeit troff daraus hervor. »Ja, das tut er. Er ist so ein guter Sohn, ein gutes Kind. Mein Ein und Alles ...«
»Krasarhuu ist also ein Schwarzelf.« Harmeau kam zum gleichen Schluss wie Arun. »Ein grässliches Volk ...«
»Du kennst noch andere Schwarzelfen?!«
»Ich bin da und dort welchen begegnet. Mischlingen, die von Elfenblut sind – und dem eines Fauns, eines Steinbeißers, einer Harpyie. Nur die Verbindung zwischen Elf und Mensch gilt als einigermaßen anerkannt. Es gibt mehr von diesen Schwarzelfen, als man glauben möchte. Die meisten von ihnen verstehen es, sich gut zu tarnen.«
»Ruhe!«, schrie die hochbetagte Elfenfrau, und ihre Stimme war so laut wie Donner im Hochgebirge. Das Haus erbebte in seinen Grundfesten. »Redet nicht darüber! Ihr wisst nichts, ihr habt keine Ahnung!«
Eine Wurzel bohrte sich von unten durch den Boden wie ein Geschoss. Sie streifte knapp an Aruns rechtem Bein vorbei, schob sich immer weiter in die Höhe und richtete dann die vorderste Spitze auf sein Gesicht aus wie der Kopf einer Schlange.
»Das ist gar nicht gut«, flüsterte Harmeau, und nicht zum ersten Mal an diesem Tag fügte er hinzu: »Wir hätten auf der Cyria Rani bleiben sollen.«
Es dauerte gefühlte Stunden, bis Krasarhuu sich blicken ließ und seine Mutter das Wurzelbein zurückzog. Arun atmete tief durch. Die Bedrohung durch den Schwarzelfen erschien ihm um einiges geringer als jene durch seine verrückt gewordene Mutter, die sich in grässlichen Beschreibungen dessen ergangen hatte, was sie mit den Gefangenen alles anstellen wollte.
Aswig und Nidi erwachten. Was auch immer der Schwarzelf ihnen angetan hatte – es hätte sich intensiv auf die Gemüter des Jungen und des Schrazels ausgewirkt.
»Meine Freunde«, sagte Krasarhuu und streckte die Arme aus, als freute er sich, die Gefangenen wiederzusehen. »Habt ihr euch gut unterhalten? Mein altes Mütterchen ist eine
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