Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
schien etwas zu sehen, was ihnen entging. Er tastete über den Boden, presste ein Ohr fest gegen Seitenwände und kostete von der glitschigen Substanz, die sich überall abgelagert hatte und womöglich phosphorgetränkt war; denn sie leuchtete aus sich selbst und verstärkte Licht, das von stecknadelgroßen Gesteinssplittern ausging.
»Müssen wir auch davon essen?«, fragte Aswig.
Der Schwarzelf tat eine herrische Handbewegung, um ihm das Wort abzuschneiden. Arun trat rasch zu dem Halbwüchsigen und drückte ihm so fest die Schultern, dass es sicherlich schmerzte. Der Junge war seit ihrem morgendlichen Aufbruch schlecht gelaunt. Er befand sich wohl in einer Trotzphase und tat alles, um Krasarhuu herauszufordern.
Nidi kam herbeigehüpft. Er achtete tunlichst darauf, die besonders stark durchnässten Flecken am Boden nicht zu berühren. Auch ihn widerte das dickflüssige Zeug sichtlich an.
»Ausgezeichnet«, sagte Krasarhuu und lächelte. »Setzt euch auf die Mardegrase, es geht weiter.«
»Möchtest du uns nicht erklären ...«
»Ich sagte: aufsitzen!«
Arun duckte sich. Ihm war mit einem Mal übel. Es reichte, einen Zipfel jener Dunkelheit zu sehen und zu spüren, die der Schwarzelf zu erzeugen imstande war, um zu wissen, dass er diesem Gegner nicht gewachsen war.
Das Gefühl der Schwäche ließ rasch wieder nach. Krasarhuu zeigte ihm ein breites Grinsen und deutete auf die Mardegrase. Arun schleppte sich auf Trai zu und zog sich in den Sitz hoch. Er fühlte sich erschöpft und war kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Schwarzelf spielte mit ihnen, war ihnen in jeglicher Hinsicht überlegen.
Es stellte sich die Frage, wie mächtig dann der hiesige Herrscher war, dass Krasarhuu vor ihm das Knie beugte.
Je länger Arun durch das Reich der Tiefe glitt, desto mehr offenbarte sich ihm die sonderbare Schönheit dieses Lands unter dem Land. Es war eine Welt für sich, die ihre Bevölkerung ernährte und es kaum notwendig machte, das Tageslicht zu suchen.
Es gab ausreichend Licht, Nahrung, Wasser, jagdbare Tiere, Nahrungspflanzen und -wurzeln. Der Kreislauf des Lebens war geschlossen, die Gog/Magog standen an der Spitze der Nahrungskette. Arun entdeckte ausreichend Anzeichen dafür, dass diese seltsamen Wesen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auskamen und keinesfalls damit prassten. Es waren die Kriegsvorbereitungen, die die Ressourcen dieses Lebensraums allmählich abschöpften.
Wann hatte Alberich die Gog/Magog verpflichtet? Hatte er bereits vor längerer Zeit, vor einigen Generationen, ein Umdenken in den Köpfen der Kannibalen bewirkt und sie dazu gebracht, über das Leben an der Oberfläche nachzudenken? Hatte er mit einem Zauber dafür gesorgt, dass die Bevölkerungszahlen explodiert waren und der Drang, sich auszubreiten, größer geworden war? Oder hatte er die Gog/Magog etwa selbst gezüchtet?
Dies waren Fragen, die sich Arun während der Reise durch Höhlen und Tunnel immer wieder stellte. Eigentlich waren sie müßig, denn derlei Sachen würden sich wohl nie klären lassen. Der Drachenelf war ein Meister der Intrigen und der Täuschung.
Die Höhlen, die sie nun durchquerten, waren weitläufiger, sauberer und besser ausgeleuchtet. Da und dort zeigten sich in Nischen figurale Darstellungen von Schlachten der Gog/Magog; stets handelte es sich um Reihen von Kämpen, die sich ineinander verbissen hatten und erbarmungslos aufeinander einhieben. In weiteren Dioramen wurden die Schlachtfeiern der Sieger gezeigt – und wie die Unterlegenen behandelt wurden.
Hatte diese Form des Kannibalismus auch eine spirituelle Beinote? Glaubten die Gog/Magog daran, dass sie den Geist der Verlierer in sich aufnahmen, sobald sie sie verspeisten? Oder dachte Arun nur zu kompliziert? War es für die Wolfsähnlichen in den Tiefen eine Notwendigkeit, die Zahl der Bewohner einigermaßen stabil zu halten?
Eine schwer bewaffnete Patrouille stoppte sie. Als sie Krasarhuus ansichtig wurden, winkten sie ihn anstandslos durch. Der Schwarzelf nickte den Bewaffneten freundlich zu. Es war unschwer zu erkennen, dass er einigen Respekt unter den Gog/Magog genoss, auch wenn er sich weitab seines ureigenen Bereichs bewegte.
Weitere Bewaffnete. Weitere Kontrollen. Sie kamen nun nur noch langsam vorwärts, auch deshalb, weil sich breite Karren durch die Verbindungshöhlen bewegten. Sie transportierten Waren, meist Nahrung. Hier waren besonders viele Gog/Magog-Frauen zu sehen. Viele von ihnen waren
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