Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
berichtet?«
»Mangel?« Cronim beäugte ihn misstrauisch. »Was möchtest du mir sagen? Dass mein Freund mich angelogen hat?«
»Ich würde es anders formulieren«, antwortete Finn vorsichtig. Dieses Gespräch ähnelte einem Eiertanz. Er durfte den Stolz des Kommandanten keinesfalls verletzen - und musste ihm gleichzeitig deutlich machen, in welch betrügerischer Absicht Belorion gehandelt hatte. »Er hat wohl eine wichtige Information über uns zu erwähnen vergessen.«
»Und zwar? Sprich schneller!«, fuhr ihn der Hübsche an.
»Dein Freund wollte uns deshalb so rasch wie möglich loswerden, weil wir ein ... hm ... ein Ablaufdatum besitzen. Wir sind dem Tode geweiht. In etwa vierzehn mal sieben Sonnenaufgängen werden wir sterben, so wir Innistìr nicht zuvor verlassen.«
»Vierzehn mal sieben Sonnenaufgänge?« Cronim hieb ihm unbeherrscht über den Mund. »Was soll der Unsinn? Warum solltet ihr sterben?«
»Wir sind völlig unerwartet in diese Welt geplatzt. Auf direktem Weg aus unserer eigentlichen Heimat. Und damit ...«
»Du lügst!«, entfuhr es dem Kommandanten. »Menschen fallen nicht einfach so vom Himmel!«
Erneut näherte er sich Finns Gesicht und begann zu schnüffeln, intensiv und mit einer seltsam anmutenden Gier. Die Tattoos in seiner linken Gesichtshälfte vollführten einen hypnotisierenden Tanz; Finn meinte zu sehen, wie sich manche der Figuren von Wange und Stirn zu lösen versuchten, um auf seinen nackten Oberkörper überzuwechseln.
»Beim Furunkel des Obersten Mäzens!«, entfuhr es Cronim. »Du sagst die Wahrheit! Du trägst den Todeskeim in dir!«
Er eilte davon, rascher, als man es ihm angesichts seiner Leibesfülle zutrauen konnte, zog mit seiner Nase feuchte Spuren über die Leiber von Finns Begleitern, um mit jedem einzelnen Geruch, den er aufnahm, aufgeregter und wütender zu werden.
»Dieser Sohn einer Wüstenhure, dieser Auswurf eines todkranken Kamira, dieser Schleimbatzen auf dem Eiter auf dem Abszess eines räudigen Sklavenhinterns! Belorion hat mich betrogen, mich, einen Mann seines Volkes! Er hat Schande über unser Geschlecht gebracht, er hat alle Gesetze der Freundschaft und der Ehre gebrochen ...«
Cronim der Hübsche redete sich in Rage, und seine Untergebenen fielen in das Gejammere und das Gefluche ein. Sie taten es halbherzig, als handelte es sich bei diesem Gegreine um die Erfüllung einer lästigen Pflicht. Finn ahnte, dass es um die Ehrbegriffe dieser Wüstenbewohner ziemlich schlecht bestellt war. Ein Vertrauensbruch wie jener, den Belorion begangen hatte, schien durchaus auf der Tagesordnung zu stehen.
Irgendwann beruhigte sich der Sklavenhändler. Er zog ein gekrümmtes Messer aus der Scheide an seinem Wanst und trat wiederum nahe an Finn heran.
»Du bist also kaum etwas wert und deine Begleiter ebenso wenig. Was sollte mich daran hindern, dich hier und jetzt von deinem Leid zu erlösen? Ich hätte gerade gute Lust, mich deiner Gegenwart zu entledigen ...«
Finns Herz schlug laut. Er gab sich trotz der Klinge so unbeeindruckt wie möglich. »Ich denke, dass du noch immer auf deine Kosten kommen könntest«, sagte er.
»Ach ja? Und wie?«
»Indem du uns alle umgehend in die Stadt bringst und uns möglichst gewinnbringend verkaufst.« Finn lächelte listig. »Sollte Belorion denn der Einzige sein, der Informationen unterschlägt? Könnte es denn nicht auch dir gelingen, über unseren nahenden Tod zu schweigen?«
Cronim stutzte, überlegte angestrengt und grinste dann. »Gewiss nicht. Außerdem könnten wir, wenn wir uns so rasch wie möglich auf den Weg machen, meinen Freund noch vor der Stadtgrenze abfangen.« Die Spitze des krummen Messers näherte sich Finns rechtem Auge bis auf wenige Millimeter. »Warum aber sollte ich auf die Worte eines Stücks Ware hören? Versprichst du dir besondere Vergünstigungen, wenn du mir hilfst?« Er kicherte. »Unter gleichgestellten Männern wäre ich gewiss zu etwas Nachsicht bereit. Doch du bist ein Sklave. Ein Stückgut. Ein Nichts.«
»Wir sind Menschen, die aufgrund ihrer Exotik einen hohen Wert besitzen. Waren das nicht deine eigenen Worte?«
»Es gibt höhere Güter als solche, die mit Geld aufzuwiegen sind.«
Und das soll ich ausgerechnet dir glauben?, fragte sich Finn, bevor er fortfuhr: »Ich will ehrlich zu dir sein, Cronim. Unser aller Schicksal ist besiegelt. Unser Leben wird in Tagen und in Stunden gemessen. Die wenige uns verbleibende Zeit möchten wir in möglichst angenehmen Verhältnissen
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