Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
verbringen. Was haben wir denn von unserem Leben zu erwarten? Die Stadt verspricht weitaus mehr Komfort als dieser Außenposten hier; ist es nicht so?«
»Natürlich ...«
»Ich spreche auch für meine Schicksalsgefährten, wenn ich sage, dass wir in einem würdigen Umfeld sterben möchten. Bei ausreichender Nahrung, in der Sicherheit der Stadtmauern, von prachtvollen Bauten umgeben, womöglich in der Gegenwart anderer Menschen. Seit unserer Ankunft hier hat man uns von der Stadt der goldenen Türme erzählt.«
»Ist das denn so?«
»Aber ja!«, log Finn und fuhr mit viel Pathos in der Stimme fort: »Belorion schilderte uns in einer schwachen Stunde die Schönheit und die Erhabenheit der Bauten und der Wesen. Er redete vom Reichtum ihrer Bewohner und ihrem gerechten Herrscher ... nimmt es da wunder, dass wir uns nach der Stadt sehnen?«
»Belorion hat euch diese Dinge erzählt, soso.« Cronim zeigte seine gelbbraun gefärbten Zähne. »Er ist ein schlimmerer Lügner, als ich befürchtet habe. Aber ich möchte dir deine Illusion nicht nehmen. Wie ist dein Name, Sklave?«
»Finn MacDougal.«
»Also gut, Finn MacDougal.« Cronim steckte das Messer weg und winkte seinen Leuten, Finns Handfesseln ein wenig zu lockern. »Für ein Stück Ware hast du recht viel Grips im Kopf. Ich mag dich, Mensch. Du bist zwar viel zu dürr, um mir zu gefallen und in meine Schlafgemächer vorgelassen zu werden; doch ich werde dir beweisen, wie großzügig Cronim der Hübsche sein kann. Du musst nicht mehr in dieser unwürdigen Liegeposition auf dem Rücken eines Kamira Platz nehmen; du darfst von nun an hinterherlaufen.«
»Wenn ich einen Wunsch aussprechen darf?«
»Werd bloß nicht unverschämt, Sklave! Ich könnte rasch meine Gutmütigkeit vergessen!«
»Ich bitte nicht für mich, sondern für meine Begleiter. Sie sind schwach und erschöpft. Erlaube ihnen, so wie ich den restlichen Weg bis in die Stadt zu Fuß zu absolvieren. Andernfalls würdest du eine ... eine Wertminderung riskieren oder womöglich gar den Tod des einen oder anderen Menschen.«
»Hast du etwa schon wieder eine dieser seltsamen Anwandlungen von Mitleid für deine Begleiter? Ihr seid in der Tat eine seltsame Sippschaft! Aber es sei so.« Cronim vollführte seltsame Bewegungen mit der Hand, murmelte dazu einige Worte und blies zu guter Letzt ein seltsames Pulverchen in Finns Richtung.
Ihm schwindelte. Irgendetwas änderte sich mit einem Mal. Er fühlte sich eingeengt, in seiner Bewegungsfreiheit mehr und mehr eingeschränkt.
Finn sah an seinen Beinen hinab - und entdeckte einen dünnen, kaum erkennbaren Faden, der sich um die Füße wickelte und ihn zwang, kurze Schritte zu tun. Mit wachsendem Entsetzen folgte er der Spur der Schnur; sie stammte von Cronim.
Sie hing aus seinem Gesicht. Es handelte sich um ein netzförmiges Tattoo auf seiner Wange, deren Zeichnung Volumen angenommen und ein Eigenleben entwickelt hatte!
»Der Netzbann wird dir helfen, nicht auf dumme Ideen zu kommen«, sagte der Hübsche. »Das Band ist magisch gestrickt, wie du dir sicherlich vorstellen kannst. Solltest du eine Flucht planen, werden sich die Fäden enger und enger zusammenziehen, bis sie dir das Laufen unmöglich machen und, wenn es notwendig sein sollte, deine Füße abtrennen. Ein nettes, kleines Spielzeug, nicht wahr? Du als Mensch wirst die damit verbundene Magie niemals ohne Unterstützung von außen lösen können.«
Er tat einen weiteren Wink mit seiner Hand. Finn fühlte, wie sich seine Beine wie von selbst in Bewegung setzten.
»Bereite deine Kameraden darauf vor«, rief ihm Cronim hinterher, »dass wir uns in die Stadt begeben, sobald ich meine Angelegenheiten hier an meinen Stellvertreter übergeben habe! Sie sollen ausreichend trinken und essen. Der Weg in die Stadt ist noch weit, und ich kann keine Rücksicht nehmen. Wer zu erschöpft ist, wird zurückgelassen und den Chamish überlassen, den Aastieren der Wüste. Das mag ein Verlust sein, aber es gibt Prioritäten. Unter anderem möchte ich mich mit Belorion über seinen Tabubruch unterhalten.«
Finns Beine beschleunigten ohne sein Dazutun. Die Tattoo-Fäden hatten die völlige Kontrolle über seine Bewegungen übernommen.
5
Wüstenwürmer
D er Mann landete wie durch Zufall wieder auf den Beinen und stolperte in Richtung Treppe. Balken zerbrachen, Splitter schossen umher, Funkenflug füllte den Raum. Laura roch verbranntes Fleisch. Eine Frau schrie; Wolf, der eben noch ratlos neben den Stufen
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