Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
dachte Laura bei sich, ihm war klar geworden, dass er außer Karys niemanden mehr auf seiner Seite hatte und auf die Gruppe angewiesen war. Opportunistisch, aber überlebenswichtig. Der Schweizer war alles andere als dumm, das hatte er schon mehrmals bewiesen. Er besaß lediglich keinerlei Umgangsformen, und Wörter wie »Rücksicht«, »Toleranz« oder gar »Akzeptanz« existierten in seinem Sprachgebrauch nicht.
»Die Frage ist nur: Wo ist die nächste Stadt?«, wandte Andreas ein. »Auf dem Weg hierher gab es keine.«
»Also können wir den Westen ausschließen«, schlussfolgerte Felix.
»Leider nicht, denn wir haben uns nur auf einem schmalen Band bewegt. Andererseits wäre es ziemlich lächerlich, einfach herumzufragen.« Andreas musterte die beiden Elfen. »Habt ihr nicht einen besonderen Orientierungssinn oder die Möglichkeit, mit eurem Elfenzauber den richtigen Weg zu finden?«
Die beiden hoben die Schultern. »Wir sind nicht allmächtig«, sagte Cwym. »Und es mag in diesem Reich Ähnlichkeiten zu unserer Anderswelt geben, wie etwa die fehlenden Spiegel, aber dennoch unterscheidet Innistìr sich grundlegend. Für uns ist das Land fast genauso fremd wie für euch.«
Jack hob eine Hand. »Also dann, wohin gehen wir? Mit dem Karren kommen wir schnell voran, aber wir können uns nicht zu viele Umwege erlauben.«
Cwym setzte zu einer Erklärung an. »Es ist so: Alberichs Ultimatum betrifft uns eigentlich gar nicht.«
»Genau damit habe ich gerechnet!«, entfuhr es Laura. »Ihr habt euch uns angeschlossen, um aus dem Palast rauszukommen, und nun wollt ihr euch wieder vom Acker machen!«
»Das wäre vernünftig«, antwortete Bathú gelassen. »Als Elfen sind wir nicht der Fünfzehnwochenfrist unterworfen wie ihr und haben keinen zeitlichen Druck. Ihr hingegen werdet euch am Ende auflösen, wenn ihr es nicht schafft, rechtzeitig in eure Welt zurückzukehren. Und wir haben auch sonst nichts mit euch zu tun, mit keiner der Geiseln. Ein Mensch mehr oder weniger spielt für uns keine Rolle. Das alles geht uns im Grunde nichts an.«
Felix und Andreas schnappten laut nach Luft; Rimmzahns Mund bewegte sich lautlos, der von Karys stand nur noch offen; die Gesichter von Milt und Jack röteten sich. Finn aß seelenruhig weiter, als hätte er überhaupt nicht zugehört. Es war seine Art, Konflikte auszublenden, damit er sich ihnen nicht stellen musste.
Laura sprang auf, ein Wortschwall drang in ihre Kehle, den sie gesammelt über den beiden ausschütten wollte.
Bathú hob die Hand, und Cwym sagte schnell: »Jedoch Ruairidh, der Dieb, ist uns keineswegs egal, und seine Festnahme geht uns sehr wohl etwas an. Dass er uns trotz des Banns entkommen ist, ist schlicht und ergreifend unerhört und kann nicht hingenommen werden. Es mag sein, dass ihm die Flucht wegen der besonderen Umstände hier möglich wurde, aber wir sind nach wie vor aneinander gebunden. Auf Dauer kann er sich uns nicht entziehen.«
»Das bedeutet«, fuhr Bathú fort, »dass wir unsere Aufgabe erst dann beendet haben, wenn wir Ruairidh samt seinem Diebesgut wiedergefunden und nach Crain gebracht haben. Da auch wir Innistìr nur mithilfe der Schöpferin verlassen können, werden wir uns also eurer Suche anschließen, um eine Passage zu erbitten. Dank des Banns können wir unseren Dieb anschließend wiederfinden und dann verschwinden.«
Jack und Milt entspannten sich etwas, doch Laura war weiterhin aufgebracht. »Das genügt mir nicht!«, sagte sie scharf. »Ich verlange von euch, dass wir alle gemeinsam Anne und Robert suchen werden, und wenn wir sie gefunden haben, werden wir zuerst die Geiseln befreien und dann alle gemeinsam die Bitte dem Königspaar vortragen, um nach Hause zurückkehren zu können! Wir sind nun einmal aufeinander angewiesen, und da kann es nicht angehen, dass ihr kommt und geht, wie es euch in den Kram passt, und mittendrin abhaut, wie ihr es schon einmal getan habt! Denkt mal darüber nach! Wenn ihr wirklich vom König der Crain persönlich beauftragt worden seid, müsst ihr Vertrauenspersonen sein, die wenigstens einen Funken Ehre im Leib haben!«
»Wir haben euch nicht belogen ...«, setzte Bathú an.
Laura aber schnitt ihm das Wort mit einer Handbewegung ab. »Wir alle zusammen oder keiner! Ihr werdet bis zum bitteren Ende mit uns kämpfen. Im Gegenzug sichern wir jegliche Unterstützung zu, die wir als Menschen geben können. Wir werden euch befreien, wenn ihr gefangen werdet, und wir werden euer Leben mit unserem genauso
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