Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
Stille. Selbst die Renoswiins hielten für einen Moment in ihrer unermüdlichen Nahrungsaufnahme inne.
»Das erzähl mal genauer«, forderte Bathú sie auf.
Wahrscheinlich hätte sie besser schweigen sollen, aber Laura hielt es nicht mehr aus. Sie musste endlich darüber reden, was sie schon so lange quälte. Sich nur Milt anzuvertrauen reichte nicht mehr aus. Alle mussten Bescheid wissen, die sich auf diese gefährliche Reise begaben. Sie mussten wissen, woran sie waren.
Nur ... das wusste Laura eigentlich selbst nicht.
Dennoch erzählte sie von Anbeginn, von ihren ersten Empfindungen, von einem unheimlichen Wesen beobachtet zu werden, seine Stimme zu hören. Sie berichtete von dem visionären Traum mit dem Mondelfen ...
»Du warst in einer Geistersphäre?«, unterbrach Milt sie verblüfft.
»Nicht in einer, Milt«, antwortete sie schüchtern. »In der Geistersphäre. Der Mondelf hat's gesagt.«
»Und hast du mit ...«
»Nein, ich habe dort niemanden sonst gesehen, nur dieses merkwürdige Wesen mit diesen wie der Mond leuchtenden Augen.«
Bathú und Cwym ließen sich von ihr den Mondelfen bis ins Detail beschreiben, Laura erinnerte sich noch gut an ihn, diese Begegnung würde sie nie vergessen. Daraufhin gerieten die beiden Elfen halbwegs außer Fassung.
»Die ... die Mondelfen sind Visionäre ...«, stotterte Bathú. »Sie sehen schreckliche Dinge voraus ... und nur solche ...«
»Und sie offenbaren sich nur Auserwählten und denjenigen, die es unmittelbar betrifft. Es ist alles noch viel schlimmer, als wir angenommen haben.« Cwyms menschliche Gestalt verschwamm für einen Moment und nahm groteske Formen an, halb elfisch, halb ... irgendetwas.
Laura gefielen die Blicke ganz und gar nicht, mit denen sie bedacht wurde. Wie kam Cwym auch dazu, ausgerechnet von ihr als einer Auserwählten zu sprechen? Wusste er denn nichts von ihrer Herkunft? Da war kein Raum für etwas Besonderes gewesen, niemals.
Laura war, abgesehen von ihrer Ungeschicklichkeit, nie anders gewesen, sondern im Gegenteil viel zu langweilig und normal. Trotz ihrer Entscheidung, gegen den Willen der Eltern ihr Studium zu wählen und sich auf eigene Füße zu stellen. Aber Mut zum Außergewöhnlichen hatte sie nie gehabt; Zoe hatte nicht weniger als drei Tage gebraucht, bis sie Laura endlich so weit gebracht hatte, mit ihr auf die Bahamas zu fliegen. Das allein hatte für Laura schon ein extremes Abenteuer bedeutet! Und wo war sie nun?
Und was sollte das bedeuten: unmittelbar betroffen zu sein? Was hatte sie denn mit den Problemen Innistìrs zu tun, abgesehen davon, als Werkzeug missbraucht zu werden?
»Aber was hat der Schattenlord denn vor?«, fragte Andreas in die ungemütlich angespannte Stille hinein.
»Wer weiß? Er war bisher nur eine Legende, ein Buhmann ... jemand, über den man besser nicht redet. Die hiesigen Elfen kennen diesen Namen vermutlich auch, aber alle anderen ... wahrscheinlich nicht.« Cwyms Finger zitterten leicht, als er über seine Stirn fuhr und sich seine gewohnte Gestalt wieder verfestigte. »Ich nehme an, er wird es nicht unter der Weltherrschaft tun ... von eurer und unserer Welt, und hier nimmt alles seinen Anfang.«
Karys räusperte sich. »Schön und gut«, sagte er. »Damit befassen wir uns später, das hat jetzt nicht oberste Priorität. Was ich aber wissen will, Laura: Wieso sehen ausgerechnet Sie sich als Schlüssel?«
Er fragte nicht den Elfen, wieso er in Laura eine Auserwählte sah, nein, er griff sie ganz konkret an und bohrte damit in einer offenen Wunde. Aber sie war froh, dass er es tat, denn einmal angefangen, wollte sie es jetzt bis zum bitteren Ende durchstehen. Sie hatten nur noch etwas mehr als elf Wochen Lebenszeit und standen jetzt an einem ganz entscheidenden Wendepunkt. Laura wollte kein weiteres Geheimnis mehr mit sich führen.
»Weil er mich gezwungen hat, Zoe aufzugeben.« Lauras Stimme war nur mehr ein Hauch. »Er hat gedroht, einen nach dem anderen von euch zu töten, wenn ich nicht gehorche. Und dann ...« Nun fing sie an zu weinen, denn dieses Bild würde sie nie vergessen. Wie so viele andere. »Er hat so getan, als würde er Luca umbringen! Ich habe es gesehen, es war furchtbar!«
»Luca?«, flüsterte Felix.
»Ja.« Laura wischte sich die Wangen ab. »Zum Glück war es nur eine Drohung, aber der Schattenlord machte glaubhaft, dass er das nächste Mal Ernst machen würde. Ihr könnt euch diese schreckliche Stimme nicht vorstellen ... Also musste ich Zoe mit diesen Fremden
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