Schattenlord 5 - Sturm über Morgenröte
Ketten und drei riesigen Riegeln gesichert.
Der goldene Speer verschleuderte Blitze, die donnernd in die Schlösser einschlugen, ohne eine Wirkung zu erzielen.
Die Greife stießen mit schrillen Adlerschreien auf das Tor hinab, während die anderen Flugwesen die beiden Türme angriffen, aus denen heftiger Beschuss folgte.
Die Greife hatten die Ketten fast erreicht, als sie von einer unsichtbaren Mauer aufgehalten und zurückgeschleudert wurden. Heftige Blitze schlugen ihnen entgegen, und im leuchtenden Knistern wurde eine magische Barriere sichtbar.
»Er weiß, was er tut«, zischte Veda. »Er sichert auch von innen, um seine Leute an der Flucht zu hindern.« Ihr Blick fiel auf eine Tür, die tief unten im Tor eingelassen war. Groß genug, um zwei Reiter nebeneinander durchzulassen.
»Auf diesem Weg also!«, stellte sie erfreut fest. Sie hob den Speer und rief ihrem Gefolge zu: »Konzentriert euch auf diesen Einlass dort unten!«
»Dasss übernehmen wir«, zischelten die drei Jaculus, und ihre flughäutigen Schlangenkörper nahmen Kurs auf das neue Ziel.
»Besser eine kleine Öffnung als gar keine«, murmelte Veda. Den anderen winkte sie. »Los, ihr da! Greift die Türme an, bringt sie zum Einsturz!«
Die Jaculus waren geschickt und konnten sich nahezu überall hindurchwinden. Aber auch sie brauchten Zeit, um all die magischen Riegel und Fallen zu überwinden, bevor sie das Schloss öffnen konnten.
Hoffentlich wartete noch jemand draußen, wenn sie die Tür öffneten.
»Damit wir das richtig verstehen«, sagte Alberich. »Sollte dieser Schattenlord tatsächlich existieren, muss ich ihn umgehend eliminieren. Konkurrenz ist ein Störfaktor, der umgehend beseitigt zu werden hat.«
Nidi fiepte jämmerlich, aber der Drachenelf hielt ihn unerbittlich in seiner Hand fest; mit der anderen schüttelte er Goldstaub aus seinem Fell.
Laura bekam alles bei klarem Bewusstsein mit, aber sie konnte sich nicht bewegen. Auch sie wurde festgehalten. Allerdings nicht durch magische Fesseln, Bannsprüche oder Ähnliches. Nein, Alberich hielt sie einfach mit seinem Willen .
So unähnlich war er dem Schattenlord gar nicht; es war kein Wunder, dass sie ihn verwechselt hatte. Sollte es aber tatsächlich zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden kommen, würde Laura unweigerlich auf der Strecke bleiben. Und Nidi ebenfalls. Ihre Lippen zitterten vor Mitleid, aber sie konnte nicht einmal einen Laut hervorstoßen. Warum tat er das dem kleinen Wesen an? Wozu benötigte er den Schrazel?
Endlich ließ Alberich von Nidi ab und setzte das völlig entkräftete Kerlchen auf dem Tisch ab, wo es sich sofort zusammenrollte und nicht mehr regte. Er schob den gesammelten Goldstaub in seine rechte Hand und wandte sich Laura zu.
»Es geht natürlich auch ohne Nidi, aber so ist es einfacher«, sagte er lächelnd. Er war nun ganz die Ruhe selbst, ausgeglichen und geradezu freundlich. Herr der Lage, von der er jeden Moment auskostete.
»Glaube nicht, dass ich aus Spaß foltere«, fügte er überflüssigerweise hinzu. Als ob Laura das interessieren oder einen Unterschied für sie machen würde. »Ich wende lediglich jedes notwendige Mittel an. Um da hineinzukommen«, er tippte sacht gegen Lauras kalte Schläfe, »bedarf es einiger unangenehmer Methoden. Aber sicherlich wird es auch für dich interessant zu erfahren, was da so alles drin ist, von dem du nichts weißt.«
Ich weiß alles, dachte Laura. Aussprechen konnte sie es nicht.
Alberichs Lächeln vertiefte sich. Er konnte ihre Gedanken bereits hören. »Keineswegs, meine Liebe. Es fängt schon damit an, dass du die Ley-Linien aufspüren kannst.«
Sie schaffte es, die Augen auf ihn zu richten. Was?
»Das haben sie dir nicht gesagt, was? Diese beiden dämlichen Elfen.«
Sie sprachen von den Adern dieses Reiches, kalten und warmen Pfaden.
»Und damit hast du den Seelenfänger aufgespürt, weil er sich auf diesen Linien entlangbewegt, nicht wahr?«
Laura fühlte Bitterkeit aufsteigen. Du hast es gewusst. Und mich deshalb auf die Reise geschickt.
Alberich ergriff ihre Hand und fing an, ihre Finger leicht zu kneten. Dabei rieb er ein paar Körnchen von Nidis Goldstaub auf ihre Haut. »Ich habe dich beobachtet: Da ist eine gewisse Zielstrebigkeit und Sicherheit, mit der du dich bewegst. Schon als du meine Halle das erste Mal betreten hast, hast du instinktiv genau den Weg genommen, unter dem die Linie verläuft.«
Er deutete in die Richtung, in der das Gebirge lag, hinter dem Palast.
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