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Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Titel: Schattenlord 6 - Der gläserne Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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wirkten unfertig, so als habe ein Bildhauer die groben Konturen aus dem Stein gehauen und dann aufgegeben. Und sie waren groß, so unglaublich groß.
    Laura konnte nicht sagen, was genau sie sich unter dem Begriff Riesen vorgestellt hatte, doch diese gewaltigen, turmhohen Gestalten sicherlich nicht.
    »Ich glaube, wir haben die Wiege des Riesen gefunden«, sagte Finn. »Oder vielmehr der Riesen.«
    »Hallo«, sagte die tiefe, rumpelnde Stimme über ihnen. »Wer seid denn ihr?«

    Sie waren zu viert, und ihre Namen wirkten ebenso grob und unfertig wie ihre Körper: Nock. Krock, Retsch und Donk. Nock war der Riese, der sie angesprochen hatte, die anderen drei waren dazugekommen, als sie die Fremden bemerkten. Laura fühlte sich unwohl zwischen ihnen. Es war, als würden sie steile Bergwände umgeben.
    »Könnt ihr euch nicht setzen?«, fragte sie. »Dann müssten wir den Kopf nicht so weit in den Nacken legen.«
    Retsch lachte. Es klang, als würde ein Auto über Kies fahren. »Wir sitzen doch.«
    »Oh.« Im Halbdunkel hatte sie das nicht gesehen.
    »Sei vorsichtig«, flüsterte Nidi Laura ins Ohr. Seit dem Niesen des Riesen hatte er ihre Schulter nicht verlassen. »Ein falsches Wort, und sie werden uns zerquetschen.«
    Sie schluckte und nickte.
    »Also?«, fragte Nock. Seine runden blauen Augen saßen wie Diamanten im Grau seiner Haut. »Was führt euch zu uns?«
    Laura zögerte einen Moment, doch dann, einem Impuls folgend, beschloss sie, die Wahrheit zu sagen. »Wir sind auf dem Weg zur Gläsernen Stadt, um einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Ihr seid die dritte von drei Prüfungen, die wir dafür bestehen müssen.«
    Nock sah sie an. »Wir sind eine Prüfung? Was genau sollt ihr denn bei uns machen?«
    »Wir haben keine Ahnung.« Finn hob die Schultern. »Es hieß nur, wir müssten die Wiege des Riesen durchqueren.«
    Von einer Sekunde zur anderen schlug die Stimmung um. Die Riesen, die zuvor gesellig und freundlich gewirkt hatten, spannten sich plötzlich an. Nocks Augenbrauen zogen sich knirschend zusammen.
    »Seid ihr hier, um ihn zu stehlen?«, fragte er. Seine Stimme klang lauernd.
    Finn hob beschwichtigend die Hände. »Wir wissen nicht einmal, wer er ist. Ihr müsst euch wirklich keine Sorgen machen. Wir führen nichts Böses im Schilde.«
    Nock knurrte. Donk beugte sich zu ihm herüber. »Sieh sie dir doch an«, sagte er. Seine rubinroten Augen leuchteten in der Dunkelheit. »Sie sind klein und schwach. Sie könnten ihn nicht stehlen, selbst wenn sie es wollten.«
    »Und wenn sie zaubern können?«, fragte Retsch. »So wie dieser verdammte Magier?«
    »Wir haben keine Magie«, warf Laura ein, bevor sich die Diskussion verselbstständigen konnte. Nidis Fähigkeiten erwähnte sie vorsichtshalber nicht. »Und wie Finn schon sagte, wissen wir nicht, von wem ihr redet. Wir werden im ersten Morgenlicht aufbrechen und euch nicht länger belästigen.«
    »Im Morgenlicht?« Nock knurrte erneut. »Das könnte euch so passen.«
    Laura warf ihren Begleitern einen kurzen Blick zu, aber die schienen ebenso wenig wie sie zu verstehen, was er damit meinte. Selbst Nidi schwieg, aber er drückte sich so fest an Lauras Hals, dass sie seinen Herzschlag spürte.
    Krock, ein Riese mit Augen, so schwarz wie Kohle, hatte bisher geschwiegen, doch nun beugte er sich vor, musterte Laura und die anderen und kratzte sich am Kopf. »Ich glaube ihnen«, sagte er dann. »Sie lügen nicht.«
    »Alle, die so klein sind, lügen«, widersprach Nock. »Damit gleichen sie ihre Schwäche aus.«
    Finn hob die Hand. »Aber in der Welt, in der wir leben, gibt es keine Riesen. Dort sind wir nicht klein, sondern normal. Und deshalb haben wir auch keinen Grund zu lügen, weil wir dort ja nicht schwach sind, sondern stark.«
    Was?, fragte sich Laura verwirrt, doch zu ihrer Überraschung nickten die Riesen nach einem Moment langsam und bedächtig.
    »Das ergibt Sinn«, sagte Retsch.
    »Tut es das?«, flüsterte Nidi.
    Laura ging nicht auf ihn ein. Es faszinierte sie, dass es Finn anscheinend wieder einmal gelungen war, die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt zu finden.
    Donk trat mit einem Fuß auf. Der Boden bebte. »Was, wenn wir die Prüfung sind?«, fragte er. »Vielleicht hat man sie geschickt, um uns zu helfen, nicht um uns zu bestehlen?«
    Nock neigte abwägend den Kopf, aber Krock und Retsch nickten.
    »Es kann zumindest nicht schaden, wenn wir ihnen zeigen, worum es eigentlich geht«, fuhr Donk fort. »Wir können sie immer noch ...« Er

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