Schattenlord 6 - Der gläserne Turm
erst einmal will ich von den Riesen wissen, was es in dieser Höhle außer einem toten Magier noch ...«
Etwas fiel auf Finn herab, lautlos und so schnell, dass er nicht einmal schrie, als er stürzte. Die Fackel flog ihm beim Aufprall aus der Hand und rollte über den Fels. Die Flamme flackerte und wurde kleiner.
Laura hechtete darauf zu. Geh nicht aus!, dachte sie, als sie den Stiel in die Hand nahm
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Milt mit der Schulter das Wesen rammte, das auf Finns Rücken hockte. Es war so bleich wie die Knochen des Skeletts, mit spinnenhaften Armen und Beinen. Es fauchte, als Milts Schulter es traf. Sein Maul war voller spitzer gelber Zähne.
Laura hielt die Fackel hoch. Das Flackern der Flamme ließ nach, sie wurde größer.
Finn sprang auf und schüttelte den Kopf, so als sei er benommen. Neben ihm duckte sich Milt unter dem Schlag des Wesens, dessen Arme in unnatürlich langen Klauen endeten. Auf seinem Rücken hing Finns Rucksack. Der Anblick war grotesk.
»Ghoul!«, schrie Nidi. Mit beiden Händen raffte er kleine Steine zusammen und warf sie nach dem Wesen. Verletzen konnte er es damit nicht, aber er lenkte es von seinen anderen Gegnern ab.
Finns Schlag traf den Ghoul mit einem widerlich nassen Geräusch am Kopf, Milts Tritt riss ihm die Beine unter dem Körper weg. Doch es kam sofort wieder hoch, hieb mit einer Klaue nach beiden Männern, während es den anderen Arm hochnahm, um sich vor Nidis Steinen zu schützen. Laura blieb unsicher stehen. Sie wollte mehr tun, als nur die Fackel zu halten, aber sie wagte es nicht, Steine zu werfen, aus Angst, Milt oder Finn zu treffen. Auf andere Weise wollte sie nicht in den Kampf eingreifen. Sie hätte den Rhythmus der beiden nur gestört.
Stoff riss, als eine der Klauen Milt beinahe die Brust aufriss. Doch im gleichen Moment packte Finn den Henkel des Rucksacks und schleuderte das Wesen gegen die Felswand: einmal, zweimal, dreimal, bis es zusammensackte und liegen blieb.
»Ist er tot?«, fragte Nidi, als Finn den Rucksack von den Schultern des Ghouls zog und ihn mit einem angewiderten Gesichtsausdruck anlegte.
»Ich glaube nicht«, sagte er schwer atmend, »aber hauen wir ab, bevor seine Freunde auftauchen.«
Ghoule jagten nie allein, das hatten sie in Innistìr bereits gelernt.
Laura lief mit der Fackel voran. Sie hätten den Pfeil nicht benötigt, der Gestank führte sie zur richtigen Stelle zurück. Kurz leuchtete sie in die Abzweigung hinein, die sie nicht genommen hatten. Sie glaubte, bleiche Gestalten zwischen den Felsen zu sehen, nahm die Fackel jedoch sofort wieder zurück und lief weiter.
»Nicht stehen bleiben!«, rief nun auch Milt hinter ihr. Nur wenige Minuten später tauchte der Höhleneingang vor ihnen auf. Hintereinander stolperten sie hinaus, den Blick zurück in den leeren Gang gerichtet. Laura hörte, wie die Riesen sich rumpelnd erhoben.
»Habt ihr den Magier gefunden?«, fragte Nock.
»Wusstet ihr, dass die Höhle voller Ghoule ist?«, stieß Milt hervor, ohne ihm zu antworten. Laura drehte sich zu den Riesen um.
Krock winkte ab. »Ach, die sind so klein, die stören uns nicht.«
Finn setzte sich schwer in den Sand. »Sie sind nicht klein für uns.«
»Oh«, sagte Nock. »Das stimmt natürlich.«
23
Lügen und
Versprechen
D as ist also der Fluch?«, fragte Nock. Er und die anderen Riesen betrachteten das für sie winzige Amulett, das Laura auf einen Stein gelegt hatte.
»Wir hoffen es«, sagte Milt. »Mit ein wenig Glück hat der Magier seine Seele in das Amulett versetzt, um dem Fluch die nötige Energie mitzugeben.«
Retsch runzelte die Stirn. Seine Haut knirschte. »Und ohne ein wenig Glück?«
»Müssen wir noch mal in die Höhle, um das Skelett des Magiers zu holen und zu begraben.«
Finn dachte an die Ghoule, die dort wahrscheinlich auf sie warteten, und schüttelte sich. Seinen Rucksack hatte er in einen Strauch gehängt; der Gestank, der von dem Stoff ausging, war beinahe unerträglich.
»Ich hoffe wirklich, dass es nicht so weit kommt«, sagte er.
Laura nickte. Sie hatte die Fackel neben sich in den Sand gesteckt. Nidi saß mit vor der Brust verschränkten Armen auf ihrer Schulter und beobachtete die Riesen sichtlich misstrauisch.
Wie viel weiß er wohl wirklich über all die Dinge, von denen er erzählt?, fragte sich Finn.
Milt nahm das Amulett und hielt es an der Kette hoch. »Zerbrecht es, dann sehen wir ja, was passiert.«
Nock streckte seinen Arm aus. Die Halskette passte nur
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