Schattenlord 7 - Das blaue Mal
zog, verletzt oder gar getötet zu werden.
Der junge Grog ließ es sich eine Weile gefallen. Dann sprang er hoch, auf seine Weise elegant und doch irgendwie so, als würde er nach einer lästigen Fliege schnappen. Er packte Extevirra an der Kehle und biss zu, schüttelte sein Opfer, das mindestens doppelt so schwer war wie er selbst, wie eine Puppe und ließ die Sterbende dann achtlos fallen.
Wo war Lirla, wo Maletorrex?
Der dicke Priester hatte sich weit ins Innere des Vulkanrunds zurückgezogen, hin zu jener Felsnadel, auf deren Spitze seine Kartause angepflockt war. Er war von mehreren seiner Helfershelfer umringt und gab Befehle. Er hatte klaren Kopf behalten und unternahm nun alles, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Baran lag in Maletorrex’ unmittelbarer Nähe, den Bauch im Staub, das Gesicht zwischen den Händen vergraben. Sein Leib zuckte unkontrolliert, während drei adlerähnliche Riesenvögel Teile seiner Eingeweide aus ihm zupften.
Das Leittier der Grogs stupste Zoe an. Es war Zeit, dass sie das Weite suchte.
Sie begegnete den hasserfüllten Blicken Maletorrex’. Der Hohepriester benutzte seine zweifellos stark ausgeprägten magischen Begabungen, um die Schaben und die Vögel zurückzudrängen. Doch es funktionierte nicht so, wie er es wohl gern gehabt hätte. Denn die Tiere gaben nicht auf. Laycham hatte sie angewiesen, sich nicht zu schonen. Sie griffen ihn und die anderen Priester unverdrossen an, meist angeführt von Eulen, die etwa ein Dutzend Meter über dem Schlachtgeschehen schwebten, die Übersicht wahrten und die tierischen Streitkräfte des Prinzen dirigierten.
Es regnete Ungeziefer. Es fiel aus dem Himmel. Tiere, die normalerweise auf der Ebene vor der Stadt ihr Auskommen fanden, waren über Nacht die Flanken des Vulkans hochgekrochen und -geklettert, um sich dann ins Innere fallen zu lassen. Ameisen, Würmer, kleine Skorpione, winzige Schlangen, Käfer, Spinnen wurden von der im Inneren Mateyskölls herrschenden Luftthermik mal hier-, dann dorthin getrieben. Sie vergrößerten das Durcheinander noch mehr
»Ich werde dich finden!«, rief ihr Maletorrex über das wilde Treiben hinweg zu. »Du wirst die Stadt niemals verlassen. Niemals, hörst du?«
Zoe wollte etwas erwidern. Wollte den Dicken schmähen und sich über ihn lustig machen. Doch sie ließ es bleiben. Es war besser, den Hohen Priester nicht weiter zu reizen.
Sie erreichte das Weiße Haus im Gefolge der Grogs. Zwei der Tiere blieben zurück, alle anderen drückten und schoben Zoe in eine ganz bestimmte Richtung. In jenen Raum, in dem Parwean d’Haag versucht hatte, sie zu verführen und über sie herzufallen. Das Leittier stieß sie in Richtung eines Wandteppichs. Zoe wusste, was zu tun war: Sie schob den schweren Stoff beiseite, suchte zwischen den Ziegeln nach der Erhöhung, die den Zugang zum Geheimweg öffnen würde.
Nach dem dritten Versuch klappte es: Unmittelbar vor ihr entstand eine Öffnung, gerade so groß, dass sie sich hindurchzwängen konnte. Ein Grog schlüpfte als Erster hindurch, Zoe folgte ihm. Sie wurde augenblicklich von Dunkelheit umfangen. Angst packte sie. Kreatürliche, tief in ihr steckende Furcht vor dem Unbekannten.
Doch ihr blieb keine Zeit, lange nachzudenken. Dieser Teil des Fluchtplans war bis aufs kleinste Detail mit Prinz Laycham abgesprochen. Also folgte sie dem Tier, während hinter ihr andere Grogs nachdrängten ...
»Herrin! Warte auf mich!«
Zoe blieb stehen. Sie erkannte Aramies Stimme. Sie wollte umkehren, die Grogs hingegen drängten sie mit ihren trockenen Schnauzen vorwärts.
»Lasst mich!«, fuhr sie die Tiere an - und tatsächlich gehorchten sie. Sie stießen unterwürfig klingende Töne aus, die einem Katzenschnurren ähnelten, und drängten sich so dicht gegen den Fels des Ganges, dass Zoe sich an ihnen vorbeizwängen und umkehren konnte.
Sie stieg die Stufen hoch zum Zimmer. Ein Grog-Weibchen hielt am Abgang Wache. Es war bereit, die Dienerin jederzeit anzuspringen, sollte sie es wagen, noch näher zu kommen. Aramie war schreckstarr, das Gesicht bleich. Sie wagte kaum zu atmen.
»Du solltest von hier verschwinden!«, sagte Zoe.
»Ich möchte mit dir kommen.« Die zart gebaute Frau tat einen hastigen Atemzug. Ihr knochiger Körper zeichnete sich deutlich unter dem eng anliegenden Festtagskleid ab, das blutbespritzt und mit unzähligen Insekten besetzt war.
»Unmöglich! Hau ab von hier und sieh zu, dass Lirla dich nicht findet. Andernfalls wird sie
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