Schattenlord 7 - Das blaue Mal
so viel wie: »Warte nur, wenn die Schicht vorbei ist, gehen wir in die zweite Runde« bedeutete.
Seine Begleiterin verengte die Augen zu Schlitzen und ließ ihn mit ihrem Mienenspiel wissen: »Ganz richtig, mein Bester. Die Angelegenheit ist noch lange nicht erledigt.«
Ruairidh packte sein Werkzeug, setzte sich in den Holzkorb und zog sich eigenhändig nach oben in die vierte Etage der neuen Lusthalle, die derzeit bloß als Holzgerüst existierte und mühsam von Hand erbaut werden musste.
»Au!«, sagte er wütend, als er Hand über Hand griff. Die Blasen auf den Innenflächen drohten aufzuplatzen, einmal mehr. »Au!«, wiederholte er. »Au, au, au!«
Nach dem Ende der Schicht torkelten sie nach Hause, hin zu diesem winzigen Verschlag unmittelbar neben dem Schweinekobel der Witwe Naith, die ein schäbiges Etablissement mit dem völlig irreführenden Namen Zur Elfenwonne leitete.
Wie jeden Abend schwiegen Gloria und Ruairidh düster, wie jeden Abend machten sich ihre Beine selbstständig und bogen kurz vor der Torfadmiral-Schwitter-Prachtstraße in den Wonnepfropfen-Weg ein, um dort ohne ihr Zutun das Güldene Krügel anzusteuern.
Davor lagen bereits die ersten Betrunkenen im Dreck, oder aber es handelte sich um die letzten Betrunkenen der Nachtschicht, die aus dem Schlamm zu holen die Stadtwache noch nicht der Mühe wert gefunden hatte. Einer von ihnen baggerte Gloria trotz seiner misslichen Lage an; die Elfenfrau revanchierte sich mit dem ihr eigenen Charme und stieg ihm auf die Brust, sodass der arme Kerl noch tiefer im Unrat versank.
Sie betraten das Güldene Krügel. Eine Rauchwolke hüllte sie ein, die kaum etwas von der Ausstattung des Wirtshauses erkennen ließ. Es würde eine Weile dauern, bis sie sich an die Schwaden gewöhnt hatten, die meist von schädlichen Substanzen herrührten und die in gewissen Kreisen der Obrigkeit von Parvenne als »Strengstenns verboten« geführt wurden.
Das doppelte »n« war irgendwann einmal dem Stadtrat als fehlerhaft aufgefallen, und es hatte langer, anstrengender Sitzungen bedurft, um die Sinnhaftigkeit des Buchstabens dann doch anzuerkennen. Die Verdoppelung drücke »auf ausgezeichnete Art und Waise die energische Energie und den willenhaften Willen des Stadtrats aus, der Lasterhaftigkeit in Parvenne mit aller zur Verfügunk stehenden Härte den Kampf anzusagen«.
Die Besonderheiten der in Parvenne gepflegten Grammatik kümmerten Ruairidh derzeit herzlich wenig. Er und Gloria, sie hatten andere Sorgen. Große Sorgen.
Sie setzten sich in einen der wenig beleuchteten Winkel des Güldenen Krügels und bestellten Bier. Das Wirtshaus bestand dank seiner speziellen Architektur, die dem »Wahn- und Wohnsinnigen Sigislaus« zugeschrieben wurde, nur aus dunklen und düsteren Ecken, die für die Abwicklung dunkler und düsterer Geschäfte verwendet wurden. Rechts von ihnen hingen Wegweiser, die den neuen und noch unkundigen Gast zum richtigen Platz führten. Links, den kleinen Treppenabsatz hoch, saßen die Meuchelnden Schmuggler und warteten gelangweilt auf Aufträge. Wandte man sich unmittelbar neben dem Latrinenausgang nach rechts, gelangte man zu den Gepflegten Assassinen, die man keinesfalls mit zu niedrigen Angeboten belästigen sollte, wollte man nicht ein pittoresker Bestandteil des Latrinengeländes werden.
Umkreiste man Lanne, den Totschläger, der tagaus, tagein in der Mitte des Güldenen Krügels auf den unweigerlich kommenden Wirbel wartete - wenn Lanne zu lange wartete, konnte man damit rechnen, dass er von sich aus einen kleinen Streit anzettelte, der mindestens vier Schwerverletzte forderte, denn immerhin handelte es sich bei Lanne um einen Totschläger -, wenn man ihn also umrundete und das Manöver überlebte, erreichte man den Stammtisch der Umstürzler von Parvenne, die seit Jahr und Tag darauf hinarbeiteten, den Stadtrat zu stürzen, aber klug genug waren, es nicht zu tun, denn dann würden ja sie in das Gemeindehaus umsiedeln müssen, und andere Revoluzzer würden die Plätze am Stammtisch besetzen, um ihrerseits ihren Umsturz zu planen.
»Diese Stadt erstickt mich!«, sagte Ruairidh, schlürfte den Schaum vom Bier und zog einem vorbeitorkelnden Zwerg aus Gewohnheit einige Münzen aus dem Säckel. »Sie bietet einem ehrlichen Dieb kaum Gelegenheit, seiner Profession in anständiger Art und Weise nachzugehen.«
»Und sie erlaubt einer gestaltwandlerisch begabten Elfe nicht, ihre Fähigkeiten anzuwenden«, ergänzte Gloria, die nun ebenfalls ihre
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