Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Konsum harter Getränke wie Wodka normal, doch Martin wollte nach wie vor einen klaren Kopf behalten. Und sie hatten davon gesprochen, einen Plan zu schmieden, wie Martin aus der Nummer wieder herauskommen würde. Sie wollten beratschlagen, wie es ihnen gelingen könnte, die weltweite, zumindest die europaweite Einführung des Intrakutanchips zu verhindern. Wie der Code geknackt werden könne, um Jerome zu helfen, wie man Schöller dem Staatsanwalt ans Messer liefern könne und vieles mehr. Wie passte das zu hartem Alkohol? Außerdem musste er über seine eigene vertrackte Situation nachdenken, die über ihn wie ein unerwünschtes Gewitter hereingebrochen war. Noch eine weitere Nacht in einem Haus, das er nicht kannte. Mit Menschen unter einem Dach, denen er möglicherweise nicht trauen konnte. Wann würde er wieder in seinem eigenen Bett schlafen können, wann seine Catherine in den Armen halten?
Ja, sie hatte sich von ihm distanziert, doch er sich von ihr ganz und gar nicht. Er würde um sie kämpfen, das war ihm klar. Sobald er sich wieder als Kommissar Martin Pohlmann öffentlich blicken lassen konnte, würde er um sie kämpfen. Hoffentlich würde es dann nicht zu spät sein.
*
Der Abend in diesem in absoluter Einsamkeit gelegenen Landhaus gestaltete sich ruhig. Zu ruhig für Martins Geschmack. Nach dem Essen waren sie noch in den Wohnraum hinübergegangen und Sokolow war nach kurzer Zeit eingenickt, mitten im Gespräch. Er begann zu schnarchen, sobald ihm der Kopf in den Nacken gefallen war. Jerome hatte sich auf den Boden gesetzt, an eine Wand gelehnt und die Flasche Wodka geleert. Er stammelte wirres Zeug und war, sichtlich betrunken, zur Seite gesunken. Na toll, dachte Martin. Super Gespräch. Als Sokolow erwachte, schien er verwirrt, eher verstört. Er bat seinen Gefährten herein und wies ihn an, den Gästen ihre Zimmer zu zeigen. Kein Wort über die Lösung ihrer Probleme, alles schien auf einmal wie vollständig vergessen zu sein, wie von einer Festplatte gelöscht.
Die Schlafräume für Gäste befanden sich im oberen Stockwerk, deren Stufen Sokolow nicht mehr erklimmen konnte. Dennoch war alles für ihre Ankunft vorbereitet gewesen und Martin wunderte sich, wie Sokolow wissen konnte, dass sie über Nacht bleiben würden. Es schien mit Jerome abgesprochen gewesen zu sein. Was wurde noch alles mit Jerome vereinbart, wovon er nichts wusste? War der Russe tatsächlich der integre und mit reinem Gewissen aus der Runde der Bilderberger ausgeschiedene Wissenschaftler oder spielte auch er mit falschen Karten? Wer oder was war noch echt und richtig und was war erlogen und erfunden in diesem Spiel? Die Grenzen schienen sich mehr und mehr zu verwischen. Martin war dennoch dankbar, sich allein zurückziehen zu können, auch ohne die Dinge geklärt zu haben. Mit Jerome in einem Zimmer die Nacht zu verbringen, das wäre ihm unangenehm gewesen.
Er legte den Anzug ab, den er getragen hatte – Jeromes Anzug –, und kroch mit nur einem T-Shirt am Leib unter die Wolldecke, die in ein rissiges Laken eingeschlagen war. Sokolow hatte sich ebenfalls zurückgezogen und befand es offensichtlich für ungefährlich, die Besucher sich selbst zu überlassen.
Jerome bezog im oberen Stockwerk einen kleinen, spartanisch eingerichteten Raum gleich neben Martin, gegenüber einer Toilette auf dem Flur und einem Waschbecken aus Stahl. Betrunken war er auf sein Zimmer getorkelt.
Keiner der Räume war abschließbar, ein Umstand, den Martin als bedenklich erachtete, jedoch nicht ändern konnte. Eine Welle des Grübelns schubste sein Gemüt einen düsteren Abhang hinunter. Ausweglose Szenen spielten hinter seinem Stirnlappen Theater, Stimmen der Verzweiflung riefen ihm zu, verhöhnten ihn wegen seiner Naivität und Gutgläubigkeit.
Seine Augen waren auf einen Punkt außerhalb des kleinen Dachfensters gerichtet. Der Ast einer großen Kiefer wiegte sich im leichten Wind, ein Uhu kommunizierte mit seinesgleichen, so lange, bis Martin in einen traumlosen Schlaf fiel. Ohne eine Lösung für sein Dilemma gefunden zu haben, schloss er die Augen. Er hoffte, die Nacht würde die Schatten und Wolken, die über ihm aufzogen, vertreiben. Kurz bevor er in den Zustand der Hilflosigkeit versank, rief sein Unterbewusstsein ihm zu, dass er ein Idiot sei, die Tür nicht verriegelt zu haben, sie nicht mit der Kommode oder einem Stuhl blockiert zu haben.
Kapitel 37
Juli 2011, Tschechien
Jerome hatte sich ebenfalls in sein Zimmer verkrochen. Er
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