Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
oder es noch einmal miteinander versuchen wollten. Dieses Treffen würde Werner auf keinen Fall sausen lassen. »Ich rufe seine Frau an. Sie hat ein altes, einfaches Handy und Werner hat mir mal den Tipp gegeben, dass ich ihre Nummer anrufen solle, falls ich niemandem mehr trauen könne. In einer halben Stunde beginnt dieses Seminar, also wird Werner bei ihr sein.«
»Welches Seminar?«
»Ach, das spielt jetzt keine Rolle. Haben Sie ein abhörsicheres Telefon für mich?«
Sokolow bedachte Martin mit einem sonderbaren Blick, einem verschwörerischen Blick, so interpretierte ihn Martin jedenfalls. Die Paranoia breitete sich in seinem Hirn aus.
»Also, was ist jetzt? Entweder Sie lassen mich telefonieren oder ich ziehe mich aus der ganzen Sache zurück. Wenn ich mit der Regierung kooperiere, wird mir nichts passieren.«
»Na, wenn Sie sich da mal nicht irren. Aber gut. Selbstverständlich habe ich ein sicheres Telefon und ja, ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind. Aber bitte seien Sie vorsichtig. Man kann zwar mein Telefon nicht orten, aber wenn Sie sich verplappern, wäre das auch nicht mehr nötig. Also bitte, überlegen Sie sich jedes Wort gut, bevor Sie es aussprechen.«
Sokolow humpelte in einen Nebenraum und kam mit einem großen, alten Funktelefon zurück.
»Mit Ihren neuen Handys könnten Sie hier eh nichts ausrichten. Kein Funkturm weit und breit. Dieses Ding stammt noch aus der Zeit des Kalten Krieges.«
Martin nahm das Telefon, das gut zehn Kilo wog, mit nach draußen. »Sie verstehen, dass ich ein paar Schritte …«
»Ja, sicher, gehen Sie nur.«
Martin trug das Gerät auf eine Anhöhe und stellte es auf einem Baumstumpf ab. Nachdem er den Mechanismus verstanden hatte, wählte er die Nummer von Susanne Hartleib in Hamburg. Es schellte sieben, acht Mal und kurz, bevor Martin deprimiert auflegen wollte, nahm Susanne ab.
»Hallo?«
»Hi, Susanne, hier ist Martin. Ist Werner bei dir?«
»Er holt gerade den Wagen aus der Garage. Ist grad schlecht.«
»Ja, ich weiß, euer Seminar. Aber es ist wichtig. Ich muss Werner kurz sprechen.« Martin meinte, ein Raunen am anderen Ende zu hören. Dann gab sie nach.
»Gut, ich ruf ihn. Augenblick.«
Martin hörte, wie das Handy in Susannes Hand zu Werner gebracht wurde. Ihre Absätze klackerten auf dem Asphalt. Sie reichte es ihrem Mann in den Wagen hinein.
»Hallo, Martin?«
»Sitzt du noch im Auto?«
»Ja, sicher.«
»Steig aus und geh ein paar Schritte weg vom Haus.«
»Was ist denn los?«
»Tue es einfach.«
Werner drehte den Zündschlüssel herum und stieg aus. Mit dem Handy in der Hand ging er in Richtung der Sackgasse, in der Anwohner gewöhnlich ihre Pkws wendeten.
»Okay. Also, was ist los? Wo steckst du?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Ich bin untergetaucht.«
»Hast du die Nachrichten gesehen? Man ist hinter dir her.«
»Nein, hab ich nicht. Aber ich weiß es trotzdem.«
»Man verdächtigt dich der Spionage. Der BND hat angeblich geheime Unterlagen auf deinen Computern gefunden, die dich einwandfrei überführen. Du hättest in deiner Abwesenheit in Ecuador alles geplant und wolltest staatsinterne Dokumente außer Landes schaffen. Du hättest ein internationales Netzwerk von Südamerika aus eingerichtet, das du nun belieferst. Dein Foto war in der Tagesschau und in allen Zeitungen zu sehen.« Werner machte eine kleine Pause. Er war ehrlich in Sorge.
»Bist du wirklich in Sicherheit?«
»Ja, bin ich. Glaub ich jedenfalls. Im Moment zumindest noch. Werner, hör zu, das ist alles Quatsch, glaub mir. Ich bin denen zu nahe gekommen und das ist ihre Idee, wie sie glauben, mich aus dem Weg räumen zu können. Aber ganz so einfach geht das nicht. Wichtig ist nur, dass du an meine Unschuld glaubst.«
Eine kleine Pause entstand. Eine Zeit der Unentschlossenheit, die an Martins Nerven zerrte. Er hörte Susanne im Hintergrund nach Werner rufen.
»Ich habe keine Ahnung, was du in Ecuador getrieben hast, aber sicher keine Spionage. Ja, ich glaube dir. Eigentlich habe sogar ich dich in die Scheiße reingeritten, als ich dich in Lüneburg angerufen hab.«
»Stimmt genau, und jetzt schuldest du mir einen Gefallen. Einen ziemlich großen sogar.«
»Schieß los. Was soll ich machen?«
»Such alle Infos über einen gewissen Frank Reichstein und über Professor Sergej Sokolow raus. Ist dieses Telefon sicher?«
»Susannes Handy? Ich glaub schon. Ein Vorkriegsmodell von Nokia. Kann nichts außer telefonieren.«
»Das ist gut. Nimm es für ein
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