Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
schlicht und ergreifend Angst. Er steckt in seinem eigenen Überwachungswahn so tief drin, dass er kaum noch vor die Tür geht. Er weiß eben, wie das System funktioniert, und je seltener er sich draußen zeigt, desto weniger kann man ihm am Zeug flicken.«
»Du meinst, er hat genauso viel Dreck am Stecken wie viele andere auch.«
»Mit Sicherheit. Er ist korrupt, hat kein Gewissen, vor allem aber ist er stinkreich. Er hat Angst vor Entführungen, vor Einbrüchen, vor Diebstahl, sogar vor Viren und Bakterien.«
»Weißt du denn, wie er aussieht?«
»Ja, in etwa schon. Er hat markante Gesichtszüge, die sich jedem einprägen, der ihn einmal gesehen hat. Spitze, lange Nase, kantiges Kinn, riesige Augen wie der Typ von den Daltons. Kennst du den noch? Den langen Blödmann, hinter dem Lucky Luke immer her war?«
Pohlmann erinnerte sich schwach, hielt es aber nicht für bedeutsam, darauf einzugehen.
»Wie groß ist er? Welche Figur?«
Jerome trat einen Schritt zurück.
»In etwa deine Größe. Ein bisschen größer vielleicht. Bauchansatz.« Jerome musterte Martin.
»Ja, könnte passen.«
»Wenn er solche Angst vor Entführungen hat, würde er seinen Besuch nicht ankündigen. Er würde spontan entscheiden zu kommen und es so wenigen Leuten wie möglich mitteilen. Eine Art Überraschungsgast …«
»Man wird nicht davon ausgehen, dass er überhaupt kommt. In zwanzig Jahren war er vielleicht vier- oder fünfmal dabei und nie wusste man vorher, ob er kommt. Normalerweise lässt er die Leute in seinem Büro antanzen. Ich sag ja, der Typ hat ’ne Macke.«
Martin bedachte Jerome mit einem nachdenklichen Blick. Es schien wie eine Art Seuche zu sein, immer mehr Menschen entwickelten einen Spleen, er selbst eingeschlossen, sonst hätte er sich nicht auf diesen Quatsch eingelassen.
»Das heißt, er ist perfekt. Könntest du eine Maske herstellen, die ihm ähnelt? Ich glaube, die Feinheiten sind gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass Schöller ihn erkennt oder jemand muss ihn ihm vorstellen.«
»Denke schon. Ich muss in meiner Datei oder im Netz nachsehen. Irgendein Archivfoto.«
»Was kannst du noch alles über ihn herausfinden? Angewohnheiten, Ticks beim Reden, welche Sprachen spricht er? Spricht er langsam oder schnell, hoch oder tief?«
»Der Fuchs heißt der Fuchs, auch weil er schlau ist. Er spricht fünf Sprachen fließend, auch deutsch. In der Regel spricht er englisch, ist aber flexibel, wie ich vermute.«
Martin nickte. »Gut. Er wird nur einen kurzen Auftritt haben. Gleich zu Beginn der Meetings wird er mit Schöller sprechen wollen und danach ist er wieder verschwunden. Bevor man hinter die Sache kommt, sind wir wieder weg.«
»Wir? Du nimmst mich also mit?«
»Schätze, das wolltest du doch immer, oder? Immerhin hast du den Mist eingefädelt. Der Fuchs braucht vielleicht einen Adjutanten, einen Kofferträger. Wir brauchen Aufnahmen, die wir dem Staatsanwalt schicken können. Wir müssen Schöller aus der Reserve locken, ihn provozieren.«
»Ich glaube, du unterschätzt ihn. Du müsstest ihn doch besser kennen.«
»Trotzdem. Wenn das stimmt, was du sagst, wird er diesem Fuchs gegenüber Rechenschaft ablegen. Auch ein Arsch wie Schöller hat Leute, vor denen er kuscht. Wer ist schon Reinhard Schöller?«
»Ein abgebrühter Killer. Schon vergessen? Aber fest steht, er hat noch einige Leute über sich.«
Martin rieb sich am Kinn. »Okay, ich muss nachdenken. Wie viel Zeit haben wir noch?«
»Drei Tage. Am Freitagnachmittag trudeln die meisten im Hotel ein. Samstag werden die ersten Vorträge laufen und Sonntagvormittag. Ich schlage vor, wir lassen den Fuchs am Samstagmorgen eintreffen. Noch vor dem Frühstück. In den vergangenen Jahren ging es immer um zehn Uhr los. Die Bilderberger lieben ihre Routine und ihre Regeln. Sie halten sich sklavisch dran.«
»Gut, ich meld’ mich. Morgen Mittag. Reicht das für deine Vorbereitungen?«
»Denk schon. Sollte machbar sein. Muss ein paar Klamotten besorgen. Den Typen habe ich nicht in meinem Portfolio, du weißt schon.«
Jerome bekam einen sonderbaren Gesichtsausdruck. Er wandte sich Martin zu.
»Warte noch. Jetzt, da wir Partner sind, muss ich dir ja helfen, stimmt’s? Ich kann dir ein bisschen beim Nachdenken helfen. Du musst dich vorbereiten.« Jerome ging zu einer Ecke des Raumes, in dem ein ansehnlicher Stapel Papiere lagerte.
»Ich wusste, dass mal die Zeit kommen würde, wo man das hier gebrauchen kann.« Jerome hob den Stapel auf und
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