Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
drückte ihn an sich. Mit der anderen Hand klopfte er beinahe zärtlich auf die Dokumente.
»Was ist das?«
»Mehr, als du jemals in deinem noch verbleibenden Leben über die Bilderberger herausfinden könntest. Und vor allem über den Alten. Intime Details seines verkorksten Lebens. Wenn du das gelesen hast, bist du für das Gespräch mit ihm gewappnet. Wenn man mit Hilfe dieser Akten und mit den anderen Sachen eins und eins zusammenzählt, weiß man, wie sämtliche Bilderberger und eben auch Schöller ticken. Dann wird auch der Mord an Lohmeyer klar.« Jerome überreichte Martin den Stapel Dokumente.
»Wieso hast du das nicht längst der Staatsanwaltschaft oder sonst wem übergeben?«
»Weil es eben von mir käme. Mir würde kein Schwein glauben. Dir aber schon. Du bist der Herr Kommissar.«
»Und der Rest, den du hier hortest?«
»Gibt es beim großen Finale gratis dazu.«
Was immer das bedeutete, Martin machte sich auf den Weg nach Hause. In einer unscheinbaren Plastiktüte schleppte er Dokumente höchster Brisanz und Geheimstufe mit sich herum. Sich zu fragen, wie Jerome an sie herangekommen war, würde keinen Sinn machen, das wusste er. Und vermutlich war es auch gleichgültig. Dinge kamen und gingen eben.
Kapitel 41
Juli 2011, Hamburg-Eimsbüttel
Als Martin in seiner Wohnung in Eimsbüttel ankam, war kein Wagen zu sehen, in dem eine Person saß, die das Auftauchen Martin Pohlmanns an die Behörde melden sollte. Man hatte nicht das Interesse an ihm verloren, doch man ging nicht davon aus, dass er so dämlich sein würde, hierher zu kommen. Man ging ebenfalls nicht davon aus, dass es möglich wäre, sich derart perfekt in einen anderen Menschen zu verwandeln. Der Mensch glaubt eben gern nur an die Dinge, die er vor Augen hat. Man sah in diese Wohnung nur Norbert Wagner, den Nachmieter, ein und aus gehen und hinterfragte oder überprüfte diese Person nicht. Warum also sollte man den Steuerzahler weiterhin mit einer kostspieligen und unergiebigen Observierung belasten?
Martin suchte die Nummer des Staatsanwaltes Dr. Rolf von Hagenreuther heraus. Von Hagenreuther war ein brillanter Ankläger. Besonders, wenn er von einer Sache überzeugt war, vertrat er seine Position mit Enthusiasmus.
Es schellte viermal im Vorzimmer des Staatsanwaltes. Die Sekretärin hielt ihre Augen geflissentlich auf den Bildschirm gerichtet. Sie reagierte nicht, als habe sie nichts gehört oder als wolle sie nichts hören. Noch diesen Satz zu Ende schreiben , dachte sie und presste die Lippen aufeinander. Das hochgepriesene Multitasking war eine Sache, die sie hasste und von der sie mit voller Überzeugung glaubte, dass sie nicht funktionierte. Der Mensch kann sich immer nur auf eine Sache konzentrieren, dann macht er sie richtig. So lautete ihr Credo.
Sie nahm die Kopfhörer ab und stellte das Diktiergerät aus. Mit der Lesebrille auf der Nasenspitze wirkte sie wie ein Habicht. Spitze Nase, schmale Lippen, flirrender Blick, ruckartige Kopfbewegungen.
Empört nahm sie das Gespräch an und stellte es zu von Hagenreuther ins Büro durch.
Der Staatsanwalt war ein überaus rundlicher, gemütlicher Mann, der den Zenit seines Lebens überschritten hatte. Entstammend aus einer Dynastie von Anwälten – sein Vater, sein Großvater, sein Großonkel und dessen Bruder waren Anwälte, also auch er. Die Lorbeeren hatte er sich schon früh verdient. Als junger, damals noch schlanker Strafverteidiger legte er stets exzellente Plädoyers vor, reduzierte das geforderte Strafmaß auf ein Zehntel und machte sich einen Namen als Gerechtigkeitsfanatiker. Mit den Jahren wechselte er die Seiten, nicht aber die Gesinnung. Er wurde Staatsanwalt, wollte die Welt sauber halten, nicht mehr die Täter verteidigen, sondern gerechte Strafen für sie einfordern, subversive Elemente in die Gosse fegen. Er wechselte die Garderobe halbjährlich, stets in den Konfektionsgrößen zunehmend, und ließ sich einen rauschenden Bart wachsen, der erst rötlich-bräunlich, später gräulich durchsetzt war und bei Sonnenlicht, das durch die Scheiben der Gerichtssäle schimmerte, ein fröhliches Farbspiel abgab. Mittlerweile trimmte er ihn einmal im Monat.
Das Büro war mit mächtigen Eichenmöbeln ausgestattet, der Schreibtisch, hinter dem er thronte, so mächtig wie seine Erscheinung selbst. An den Wänden Drucke alter Meister in verschnörkelten, ebenfalls mächtigen Rahmen, unter seinen Füßen ein persischer Weramin in Übergröße 405 mal 305.
Auf einem
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